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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Phänomenbereiche entlang der drei Dimensionen bewusst–unbewusst, rational–emotional und egoistisch–sozial vor uns. Es verwundert deshalb nicht, dass praktisch das gesamte Gehirn an der Bildung der Persönlichkeit beteiligt ist. Mit einer gewissen Vereinfachung können wir, wie in Abbildung 8 schematisch dargestellt (vgl. auch Abbildung 5, S. 44), vier funktionelle Gehirnebenen unterscheiden, auf denen die unterschiedlichen Komponenten der Persönlichkeit angesiedelt sind.
    Die unterste Ebene ist die vegetativ-affektive Ebene . Sie entsteht von allen Ebenen am frühesten, denn sie entwickelt sich ab der 7. ;Schwangerschaftswoche, d. ;h. weit vor der Geburt. Sie wird von der limbischen Grundachse des Gehirns repräsentiert, die vornehmlich vom Hypothalamus einschließlich der präoptischen Region und der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), der zentralen Amygdala, Teilen des basalen Vorderhirns (bzw. der septalen Region), dem zentralen Höhlengrau und den vegetativen Zentren des Hirnstamms gebildet wird (vgl. Kapitel 2). Die Vorgänge auf dieser Ebene sichern unsere biologische Existenz über die Kontrolle des Stoffwechselhaushalts, des Kreislauf-, Temperatur-, Verdauungs- und Hormonsystems, der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, des Wachens und Schlafens und der damit verbundenen Bewusstheitszustände. Ebenso werden durch diese Ebene unsere spontanen affektiven Verhaltensweisen und Empfindungen wie Angriffs- und Verteidigungsverhalten, Dominanz- und Paarungsverhalten, Flucht und Erstarren, Aggressivität, Wut usw. gesteuert.
     
    Abbildung 8: Vier-Ebenen-Modell der Persönlichkeit. Die untere limbische Ebene des vegetativ-affektiven Verhaltens und die mittlere limbische Ebene der emotionalen Konditionierung, Bewertung und Motivation bilden zusammen das »unbewusste Selbst«. Auf bewusster Ebene bildet die obere limbische Ebene in der rechten Hemisphäre das »individuell-soziale Ich«, dem das »kognitiv-kommunikative Ich« in der linken Hemisphäre gegenübergestellt wird. Die Dicke der Pfeile gibt die Stärke der Beeinflussung der Ebenen untereinander an. Abkürzungen: ACC = Anteriorer cingulärer Cortex; Basalgang = Basalganglien; Bl Amy = Basolaterale Amygdala; Hyth = Hypothalamus; IC = Insulärer Cortex; NAcc = Nucleus accumbens; PAG = Zentrales Höhlengrau; OFC = Orbitofrontaler Cortex; Veget. Hirnst. = Vegetative Hirnstammzentren; VMC = Ventromedialer (präfrontaler) Cortex; VTA = ventrales tegmentales Areal; Z Amy = Zentrale Amygdala.  
     
     
    Die von dieser Ebene ausgehenden Antriebe und Affektzustände bilden unser stammesgeschichtliches Erbe. Wir teilen diese Antriebe und Affektzustände nämlich mit allen Primaten und darüber hinaus mit allen Säugetieren und zum Teil sogar mit allen Wirbeltieren. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass das basale Vorderhirn, die präoptische Region, der Hypothalamus, die zentrale Amygdala und das zentrale Höhlengrau bei diesen Tieren und beim Menschen sehr ähnlich sind. Hiermit stimmt auch überein, dass ihre Funktionen weitgehend genetisch vorgegeben sind. Entsprechend kann man bei Mensch und Tier die affektiven Grundzustände mit einer Hirnstimulationselektrode sozusagen »auf Knopfdruck« auslösen. Die genannten Zentren machen in ihrer individuellen genetischen Ausformung das Temperament eines Menschen und seine grundlegende Triebstruktur aus (vgl. Kapitel 1).
    Die zweite, darüber angeordnete Ebene ist die Ebene der emotionalen Konditionierung . An dieser Ebene sind vornehmlich die Amygdala und das mesolimbische System beteiligt. Die Amygdala, insbesondere der basolaterale Kernbereich, ist mit der erfahrungsabhängigen Verknüpfung negativer oder neuartiger Ereignisse mit Gefühlen der Furcht, Angst und Überraschung befasst. Hier lernen wir meist unbewusst, wovor wir uns fürchten und in Acht nehmen müssen. Grundlage dieses Konditionierungsvorgangs ist einerseits die Tatsache, dass die Amygdala von den Sinnesorganen über den Thalamus Informationen über die Umwelt und den Körper erhält und diese nach »gut« und »schlecht«, »positiv« und »negativ« bewertet und mit entsprechenden Gefühlen fest verbindet. Von diesem Vorgang wird im sechsten Kapitel noch ausführlicher die Rede sein. Interaktionspartner und gleichzeitig Gegenspieler der Amygdala ist das mesolimbische System mit dem ventralen tegmentalen Areal (VTA) und dem Nucleus accumbens als Hauptbestandteil. Dieses mesolimbische System erzeugt einerseits Lustgefühle und sagt uns, was mit

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