Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Wesen existiere . Diese absolute Gewissheit gibt es in Hinblick auf andere Personen nicht. Heutzutage kann man allerdings mit verschiedenen Methoden verlässlich feststellen, ob jemand bewusst oder unbewusst ist (vgl. Exkurs 1). Das ist natürlich auch von großem klinischen Interesse, zum Beispiel bei der Anwendung und Entwicklung von Narkosemitteln.
Grundsätzlich zu unterscheiden sind Zustände des Aktualbewusstseins und des Hintergrundbewusstseins. Das Aktualbewusstsein ist von ständig wechselnden Inhalten gekennzeichnet, die stets deutlich mit dem Ich-Erleben zusammenhängen. Hierzu gehört vor allem das sensorische Erlebnis- oder Wahrnehmungsbewusstsein, das unsere sinnliche Welt einschließlich des Körpererlebens in unendlicher Vielfalt zum Inhalt hat. Hinzu kommt das Erleben der eigenen Affekte, Gefühle, Wünsche, Vorstellungen, Absichten und Erinnerungen. Eine besondere Form des Aktualbewusstseins stellt Aufmerksamkeit dar: Wir können nicht auf etwas aufmerksam sein, ohne es zugleich bewusst zu erleben (das Umgekehrte ist freilich durchaus möglich, denn wir können etwas wahrnehmen, ohne uns dessen bewusst zu sein). Zum Hintergrundbewusstsein gehört das Erleben einer körperlichen und psychischen Identität in Form von Ich und Selbst, eine Verortung dieses Selbst in Raum und Zeit, die Unterscheidung von Realität (d. h. des tatsächlich Wahrgenommenen) und Vorstellung (Gedanken, Wünschen, Absichten, Erinnerungen), und schließlich das Erleben der Autorschaft der eigenen Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Handlungen, wie wir dies gerade im Zusammenhang mit den Ich-Zuständen geschildert haben. Man spricht von Hintergrundbewusstsein, weil wir uns dieser Bewusstseinszustände normalerweise nicht explizit gewahr sind und uns auf die Inhalte des Aktualbewusstseins konzentrieren – außer wenn Teile des Hintergrundbewusstseins gestört sind, ich zum Beispiel nicht mehr weiß, wer und wo ich bin.
Psychologie und Hirnforschung haben seit längerem untersucht, was wir nur mit Bewusstsein und entsprechend nicht unbewusst tun oder haben können. Hierzu gehört alle detaillierte Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung. Es gibt zwar durchaus auch unbewusste Wahrnehmung und Erinnerung, aber diese sind immer undifferenziert. Wir können nur bewusst neue, komplexe Probleme angehen und im Detail Dinge planen, und wir können nur dann einigermaßen komplexe Dinge aussprechen. Schlicht und einfach gesagt: Immer wenn wir mit etwas Neuem bzw. Ungewohntem konfrontiert werden, bei dem es um die komplexe Verarbeitung von Details geht, brauchen wir Bewusstsein. Wir konzentrieren uns dann auf die anstehende Situation oder das anstehende Problem, und je mehr wir uns konzentrieren, desto höher wird die Intensität der bewussten Wahrnehmung des entsprechenden Vorgangs.
Was gehört zum Unbewussten?
Aus Sicht der Hirnforschung und der experimentellen Psychologie umfasst das Unbewusste eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Inhalte. Erstens sind dies alle vorbewussten Inhalte von Wahrnehmungsvorgängen. Bevor wir nämlich etwas bewusst wahrnehmen, wird die sensorische Information auf vielen Ebenen unseres Gehirns von den Sinnesorganen bis hin zum so genannten assoziativen Cortex eine Drittel- bis eine halbe Sekunde lang unbewusst vorverarbeitet. Dabei wird auch entschieden, ob etwas überhaupt ins Bewusstsein gelangen soll – und in diesem Zusammenhang wird das Allermeiste »herausgefiltert«. Zweitens handelt es sich um alle unterschwelligen Wahrnehmungen, d. h. solche, die zwar viele Wahrnehmungszentren in unserem Gehirn einschließlich der Großhirnrinde erregen, aber aus bestimmten Gründen nicht die Schwelle zum Bewusstsein überschreiten. Dies sind alle Inhalte, die so unwichtig sind, dass das Gehirn sich gar nicht weiter mit ihnen befasst, oder alle wichtigen Inhalte, die das Gehirn ohne Bewusstsein abarbeiten kann, weil es dafür Routineprogramme besitzt. Diese unterschwelligen und unbewussten Wahrnehmungen umfassen den allergrößten Teil unserer laufenden Wahrnehmungsprozesse.
Drittens gehören zum Unbewussten alle Wahrnehmungsinhalte, die sich außerhalb des »Scheinwerfers« unserer Aufmerksamkeit befinden. Wir sind in aller Regel für solche Inhalte blind und übersehen oft in dramatischer Weise Dinge, die vor unserer Nase liegen, sofern wir nicht unsere Aufmerksamkeit auf sie richten. Wir können sogar automatisiert darauf reagieren und werden uns dessen entweder gar nicht oder verspätet gewahr.
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