Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
sind wir emotional noch schnell und nachhaltig konditionierbar, als Jugendliche schon weniger und als Erwachsene kaum noch, es sei denn durch sehr schockartige oder wiederholte starke Einwirkungen bis hin zur so genannten Hirnwäsche. Personen mit Schäden in der Amygdala oder im mesolimbischen System können entsprechend keine emotionale Konditionierung erfahren. Bei einer Schädigung der Amygdala (zum Beispiel als Folge der »Urbach-Wiethe«-Erkrankung) können sie prinzipiell nicht lernen, was Furcht und Angst ist; sie sind blind für Gefahren und Risiken und damit die geborenen »Helden«. Ebenso erfahren sie bei einer Schädigung des mesolimbischen Systems nicht, was Lust und Freude ist. Allerdings sind solche Schädigungen der Amygdala und des mesolimbischen Systems sehr selten, und diejenigen Personen, die daran leiden, haben stark verringerte Überlebenschancen.
Die emotionale Konditionierung erfolgt im Rahmen unseres Temperaments und kann an diesem Temperament wenig ändern, aber sie hat gleichzeitig einen großen Spielraum durch die Zufälligkeiten unseres Lebens. Was vor, während und nach der Geburt an positiven oder negativen Dingen passiert und das Gehirn beeinflusst, ist so vielfältig wie die Welt selbst, und auf diese Weise stellt im Rahmen des Temperaments in beträchtlichem Maße der Zufall die Weichen für unsere Persönlichkeit.
Die obere limbische Ebene beginnt mit ihrer Entwicklung erst nach der Geburt zusammen mit der Entwicklung des Bewusstseins. Dies ist verständlich, denn auf dieser Ebene werden wir sozialisiert, und das erfordert eine zunehmend differenzierte Wahrnehmung und Verarbeitung komplexer sozialer Signale und Geschehnisse, wozu Amygdala und mesolimbisches System nicht fähig sind. Dies beginnt in der Mutter-Kind-Bindungsbeziehung, später dann auch in der Beziehung zum Vater, zu den Geschwistern (sofern vorhanden) und den frühen Spielkameraden. Hier erlernen wir die sozialen Spielregeln, das Prinzip von Geben und Nehmen, die Impulshemmung, das Sich-Hineinversetzen-Können in den anderen (Empathie). Dieses soziale Lernen setzt sich stufenlos fort bis zum Erwachsenenalter, allerdings mit den typischen, meist hormonal bedingten Turbulenzen während der Pubertät.
Diese obere limbische Ebene wirkt, wie erwähnt, hemmend und mildernd auf die mittlere Ebene ein. Die – zumindest teilweise – Überwindung des krassen Egoismus der unteren und mittleren limbischen Ebene ist ein Kernstück unserer Sozialisation und bildet die Basis von Moral und Ethik. Diese Einflussnahme von »oben nach unten« ist aber schwächer als die von »unten nach oben«. Unser überwiegend genetisch bedingtes Temperament und die individuelle Art unserer emotionalen Konditionierung geben den groben Rahmen für unsere Sozialisation vor. Ein aufgeschlossenes Temperament und eine positive emotionale Konditionierung machen es den gesellschaftlich-erzieherischen Einflüssen leicht einzuwirken, und die Person wird privat wie gesellschaftlich umgänglich und anpassungsfähig sein. Umgekehrt kann eine positive soziale Umgebung wenig bewirken, wenn Temperament und emotionale Konditionierung negativ ausgerichtet sind. Eine temperamentmäßig verschlossene oder misstrauische Person, die zudem traumatisierende Erfahrungen machte, wird sich auch in der besten sozialen Umgebung kaum zu einem offenen und anpassungsfähigen Menschen entwickeln.
Grenzen der Erziehung
Es gibt direkte genetische und entwicklungsbedingte Hemmnisse der Sozialisierung und Erziehung. Dramatisch wird es, wenn sich diejenigen oberen limbischen Zentren, die für die Sozialisierung zuständig sind, nicht oder nicht genügend entwickeln, vor allem der orbitofrontale und ventromediale präfrontale Cortex. Viele solcher Personen, meist Jungen bzw. Männer, fallen schon in früher Jugend durch impulsives, egozentrisches und gefühlloses Verhalten auf (z. ;B. ständiges Prügeln, Schikanieren der Umgebung und Tierquälerei) und sind durch keine der üblichen erzieherischen Maßnahmen zu bessern. Oft stellen Neuropsychologen bei ihnen auch die Unfähigkeit fest, sich in die Gefühle und Motive der anderen hineinzudenken; sie zeigen also Empathie-Defizite.
Solche Persönlichkeitsstörungen findet man besonders bei den so genannten »Psychopathen«, die ohne jedes Mitleid die größten Grausamkeiten begehen können und anschließend keinerlei Reue zeigen. Etwas ganz Ähnliches tritt auch bei Personen auf, deren limbisches Frontalhirn durch einen
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