Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
feststellen, die richtige Entscheidungsstrategie hänge davon ab, welcher Entscheidungstyp man sei. Es gebe eben Bauchmenschen und Kopfmenschen, und die Ersteren würden besser damit fahren, spontan zu entscheiden, die Letzteren damit, nachzudenken. Dies ist ein klassischer Zirkelschluss, denn schließlich nennt man diejenigen Personen, die üblicherweise spontan entscheiden, »Bauchmenschen«, und diejenigen, die vor Entscheidungen lange nachdenken, »Kopfmenschen«. Anders formuliert lautet der Rat, Bauchmenschen sollten weiter aus dem Bauch heraus entscheiden, Kopfmenschen weiter mit dem Kopf!
Hier wird im Übrigen die Tatsache, dass Menschen unterschiedlichen Entscheidungstypen angehören können, mit der Frage verwechselt, wie man am besten entscheiden solle . Aus dem Umstand, dass etwas so ist, wie es ist, folgt bekanntlich nicht, dass dies auch gut so ist. Was Entscheidungen betrifft, sollte man wohl eher das Gegenteil des gerade zitierten Rates tun, nämlich Bauchmenschen sollten sich etwas rationaler verhalten und Kopfmenschen etwas intuitiver. Aber darauf werde ich noch zurückkommen. Erst einmal wollen wir die unterschiedlichen Entscheidungsstrategien systematisch durchgehen.
Der Nachteil der »Bauchentscheidungen«
Der Begriff der »Bauchentscheidung« leidet unter dem Umstand, dass in der öffentlichen Diskussion hierunter zwei ganz verschiedene Entscheidungstypen verstanden werden, nämlich die spontan-affektive Entscheidung und die intuitive Entscheidung.
Der erstere Typ von »Bauchentscheidungen« tritt meist unter Zeitdruck oder starkem psychischen Druck, insbesondere unter Stress auf. Es besteht irgendeine Gefahr (Feuer, Erdbeben, sonstige Katastrophen, Überfall und sonstige Bedrohung durch Menschen und Tiere, Verkehrsunfall usw.), und wir müssen sofort und ohne großes Nachdenken reagieren. Hierbei wird in aller Regel unsere unterste limbische Ebene, diejenige des Hypothalamus, der zentralen Amygdala und des zentralen Höhlengrau, aktiviert, und es werden Verhaltenstendenzen freigesetzt, die stammesgeschichtlich tief in uns verwurzelt sind, nämlich Flucht, Abwehr/Verteidigung, Angriff, Erstarren (Totstellen) oder Unterwerfung (Resignation). Bei Flucht, Abwehr/Verteidigung und Angriff werden zugleich oft »übermenschliche« Kräfte freigesetzt.
Die hierbei freigesetzten Verhaltensweisen sind ebenso oft richtig wie falsch. Es kann sein, dass Flucht das Beste ist, aber sie könnte auch genau die falsche Reaktion darstellen, da wir nicht schnell genug oder nicht in die richtige Richtung fliehen (z. B. ist dies bei Katastrophen in Tunneln ein großes Problem), und Verteidigung oder gar Angriff könnten besser sein. Aber das muss in Sekundenschnelle entschieden werden, und dies geschieht >auf der Grundlage einer sehr eingeschränkten, schemenhaften Wahrnehmung durch die subcorticalen limbischen Zentren. Ist der große und schnell sich nahende Schatten wirklich eine Bedrohung? Ist der herannahende Gegner wirklich viel stärker als ich? Soll ich nach links oder rechts fliehen? Soll ich mich nicht lieber tot stellen?
Hochgradig reaktive bzw. reflexartige Entscheidungen sind ein unvermeidbares Risiko. Man hat eben keine Zeit zum Nachdenken – oder glaubt zumindest keine Zeit dazu zu haben, und selbst wenn man Zeit haben sollte, so wird das Nachdenken durch den starken Stress in typischer Weise eingeengt. Bei starkem Stress werden hohe Dosen von Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, die uns wie ein Blitz durchzucken, uns höchst reaktionsbereit und aufmerksam machen, aber zugleich den präfrontalen Cortex lahm legen: Es ist jetzt keine Zeit zum langen Grübeln! Bei ganz starker Bedrohung geraten wir sogar in Panik, d. h. kopf-loses Reagieren.
Panikverhalten ist immer falsch, hochgradig affektive Entscheidungen sind es oft. Was können wir also tun? Gegen plötzliche Katastrophen und Gefahrensituationen können wir uns niemals schützen, aber wir können dennoch zwei Dinge tun. Erstens können wir es durch Training zumindest in gewissem Umfang lernen, Panikgefühle zu unterdrücken. Dazu muss man sich versuchsweise mehrfach Katastrophen- und Gefahrensituationen ausgesetzt und gelernt haben, mit ihnen umzugehen. Das ist natürlich schwierig. Zweitens müssen wir lernen, in solchen Situationen automatisiert die richtigen Dinge zu tun. Ein Feuer bricht im Hotel aus, in dem wir uns gerade befinden, und wir haben im Kopf, was wir in einem solchen Fall tun müssen (z. B. Alarm geben, Fenster
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