Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
freundlicher Blick unmittelbar erwärmen, ein Lächeln verzaubern und eine einfache Geste überzeugen.
Diesem ersten Eindruck sollte man zumindest im Einstellungsgespräch niemals nachgeben, und man sollte sich dagegen bewusst wappnen. Er sagt nämlich nur eines aus, nämlich dass die entsprechende Person uns auch später noch mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit sympathisch ist. Mit gewissen Einschränkungen sagt er uns auch etwas über die Vertrauenswürdigkeit der Person aus, die auch – und ebenfalls überwiegend unbewusst – an ganz bestimmten emotional-affektiven Signalen ablesbar ist und über dieselben Hirnzentren verarbeitet wird. Ob und in welchem Maße jedoch diese Person für den vorgesehenen Job geeignet ist, darüber sagt der erste Eindruck nichts aus. Dies kann man nur über das genaue Studium der Bewerbungsunterlagen, durch entsprechende sachliche Fragen, durch ehrliche Auskünfte dritter Personen oder durch aufwändige Tests herausbekommen. Experten wie der Osnabrücker Persönlichkeitspsychologe Julius Kuhl warnen ebenfalls inständig vor der Gefahr des »ersten Eindrucks« und betonen, dass man die fachliche Eignung eines Bewerbers nur über ausführliche Testuntersuchungen herausbekommen kann.
Verzichtet man auf die relativ aufwändigen Verfahren des »zweiten Blicks«, dann stellt man unter Umständen jemanden ein, der einem zwar sympathisch und vertrauenswürdig erscheint, aber für den Job, um den es geht, relativ ungeeignet ist. Natürlich fällt es schwerer, jemanden einzustellen, der offensichtlich qualifiziert, aber irgendwie unsympathisch wirkt. Noch schwerer ist es, jemand Hochqualifizierten einzustellen, der einem wenig vertrauenswürdig erscheint. Hier kommt man um den verlässlichen Rat Dritter nicht herum.
Das zweite große Problem besteht darin, dass man einem Bewerber, den man aus Sympathiegründen eingestellt hat, später aus diesem Gefühl der Sympathie heraus viele Fehler durchgehen lässt und ihm eine weitere Chance zu geben bereit ist, während man dem Bewerber, der einem unsympathisch ist und den man nur wegen seiner offensichtlichen Qualifikation eingestellt hat, bei jeder Gelegenheit kritisch auf die Finger schaut und ihn unbewusst trotz seiner Leistungen loswerden möchte.
Alles in allem heißt hier der Rat, der leider zu wenig befolgt wird: Lass diejenigen Bewerber, die in die engere Wahl kommen, noch einmal kommen, nachdem du dich gründlich mit anderen Personen und Psychologen beraten hast. Dieser »zweite Eindruck« hat auch den sehr vorteilhaften Effekt, dass die mögliche Charme-Offensive eines Bewerbers nicht wieder in derselben überrumpelnden Weise auftritt wie beim ersten Mal. Die nach dem zweiten Mal getroffene Wahl ist meist die richtige – es sei denn, man hat die falsche Vorauswahl getroffen.
Es gibt einen Lebensbereich, in dem all dies mit uns geschieht, in dem wir aber nicht unbedingt die Möglichkeit des »zweiten Eindrucks« haben (zumindest nicht bei derselben Person), nämlich beim Sich-Verlieben. Das Sich-Verlieben wird von denselben einfachen und überwiegend unbewusst wirkenden Merkmalen bestimmt, allerdings kommen noch mächtigere Faktoren in Form von Geschlechtshormonen hinzu. Auch hier wird buchstäblich der Verstand außer Kraft gesetzt, und das ist aus nahe liegenden Gründen natürlich gut so, denn das Sich-Verlieben soll – rein biologisch gesehen! – zum möglichst umgehenden Erzeugen von Nachkommenschaft führen. Hingegen ist in dem entsprechenden limbischen Verhaltensrepertoire die Frage, ob denn die Person, in die man sich verliebt, auch für eine längere Partnerbeziehung geeignet sei, primär nicht vorgesehen. Dieser Verhaltenskomplex wird durch ganz andere physiologische Faktoren gesteuert, z. B. den Oxytocin-Komplex, der sich offensichtlich aus der Mutter-Kind-Beziehung entwickelt hat. Wie man es schafft, bei aller Verliebtheit einen kühlen Kopf zu bewahren und längerfristig zu denken, ist eine Frage, die so alt ist, wie es Menschen gibt.
Die Vor- und Nachteile rationaler Entscheidungen
Lassen wir also, der Ermahnung kluger Menschen folgend, bei Entscheidungen den Verstand walten! Über die Begrenztheit der Rationalität haben wir inzwischen zur Genüge gehört, aber heißt dies, dass wir auf Rationalität und Nachdenken verzichten müssen?
Natürlich gibt es, wie geschildert, Situationen, in denen wir gar keine Zeit oder Möglichkeit zum Nachdenken haben, aber in allen anderen Fällen heißt nach dem, was ich
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