Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
aber nur für das Nachdenken in einem relativ kurzen Zeitraum. Falls wir dagegen mehr Zeit haben, können wir (siehe oben) die relevanten Faktoren oder Gesichtspunkte identifizieren und sie nacheinander abarbeiten, bis wir zu einer befriedigenden Lösungsmöglichkeit kommen, so wie Gigerenzer dies vorgeschlagen hat. Wir können dann sogar zurückgehen und die Liste noch einmal durcharbeiten. Insbesondere sollten wir uns bei jeder Alternative fragen: Willst du dies wirklich? Und: Was ist, wenn diese Alternative doch nicht besteht (z. B. wenn der gewünschte Autotyp nicht mehr vorrätig ist); welche Alternative ist dann dran? Und am Ende schließlich: Was ist, wenn die Entscheidung, die nun ansteht, sich später als falsch herausstellt – ist das dann die Katastrophe?
Die Kernaussage des Dijksterhuis-Modells besteht darin, dass alles rationale Abwägen letztlich in eine Entscheidung einmündet, die nur noch emotional-intuitiv getroffen werden, aber nicht wiederum rational sein kann. Unter allen rationalen Gesichtspunkten ist es das Beste, das Auto der Marke X zu kaufen, aber ich fahre nun einmal seit vielen Jahren Autos des Typs Y, und mir widerstrebt es einfach, zu wechseln – ich gehöre (fiktiv) eben zu den Menschen, denen eine Veränderung schwer fällt. Dasselbe gilt (ebenso fiktiv) für die Frage, ob ich den Ruf nach X annehmen, oder doch lieber in Y bleiben soll. Und dasselbe gilt für die Frage, ob ich den etwas unsympathisch wirkenden, aber offenbar hoch qualifizierten Herrn X einstellen soll oder die sehr sympathisch wirkende Frau Y, die keine glänzenden Zeugnisse und Empfehlungen vorzuweisen hat. Der wichtigste Gesichtspunkt überhaupt lautet dabei: Ich muss mit der Entscheidung »leben« können, und das ist nur bei denjenigen Entscheidungen der Fall, die in Übereinstimmung (Kongruenz) mit meinem emotionalen Erfahrungsgedächtnis getroffen wurden.
Natürlich geht in diese emotionalen Entscheidungen auch die Warnung des Verstandes und der Vernunft ein. Ich neige als Leiter eines Betriebes der einen Entscheidung zu, während eine Reihe von Mitarbeitern davor warnen und eine andere Entscheidung vorschlagen. Ist es gut, diese Warnungen in den Wind zu schlagen? Wie groß ist dann der Vertrauensverlust? Wenn ich aber diesen Warnungen folge und sich dann die Entscheidung als falsch herausstellt – bin ich nicht derjenige, der dafür geradestehen muss? Wenn ich mich dazu entschließe, das teurere Auto zu kaufen, das mich vor meinen Nachbarn gut aussehen lässt – wie schwer wiegen die Gedanken an die finanziellen Belastungen oder die Unterhaltskosten? Wenn sich die Regierung zugunsten eines endlich ausgeglichenen Staatshaushalts oder zur Finanzierung von Umweltmaßnahmen für eine weitere Steuererhöhung entscheiden will, wie steht es mit einer möglichen Niederlage bei der nächsten Wahl?
All dies führt zu der Erkenntnis, dass es zwar rein rationale Abwägungen , aber keine rein rationalen Entscheidungen gibt. Entscheidungen sind immer emotional, wie lange man auch abgewogen hat, und rationale Argumente wirken auf die Entscheidung nur über die mit ihnen verbundenen Emotionen, d. h. Erwartungen und Befürchtungen ein. Der Berater (gleichgültig ob der in mir selbst oder eine reale andere Person) sagt: Es bestehen die Alternativen A, B und C; diese haben die Konsequenzen X,Y und Z. Akzeptierst du die Konsequenz X oder Y oder Z bzw. mit welcher kannst du am ehesten leben? Dies kann nicht wieder rational, sondern nur im Lichte des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses entschieden werden.
In diesem Sinne gibt es entweder nur rein affektiv-emotionale Entscheidungen ohne vorheriges Nachdenken – das wären die »Bauchentscheidungen« –, oder eine Kombination von beratender Rationalität und affektiv-emotionalen Entscheidungen, die berücksichtigt, was die Rationalität als Alternativen und deren Folgen darstellt. Wir haben gelernt, rationalen Argumenten zuzuhören, und zwar nicht deshalb, weil sie rational sind, sondern weil sie bestimmte Entscheidungskonsequenzen aufzeigen, die wir bei spontanen Entscheidungen nicht berücksichtigen.
Was aber sind intuitive Entscheidungen wirklich? Sie sind ja keine Bauchentscheidungen im engeren Sinne. Wir haben früher darüber gesprochen, dass hierbei das Vorbewusste eine große Rolle spielt. Das Vorbewusste enthält, wie dargestellt, im Wesentlichen solche Inhalte, die einmal bewusst waren und wieder ins Nicht-Bewusste abgesunken sind. Dies umfasst auch alle
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