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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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ab, sich anzumelden.
    Wie in vielen Foren gab es auch bei www.muenchner-freitod.de User, die in eine Rolle schlüpften. Novalis liebte solche Spiele und fand es aufregend, darüber zu spekulieren, obetwa das Mitglied mit dem Nickname
Kain
, das seine Suizidpläne mit großer Aggressivität beschrieb, nicht womöglich ein schüchternes Mädchen war, das in der virtuellen Welt die Aufmerksamkeit forderte, die es in der Wirklichkeit nicht bekam. Hinter der tieftraurigen
Henriette
versteckte sich vielleicht ein kühler Vernunftmensch, der im Forum seine schwachen und zerbrechlichen Seiten auslebte.
Deepness
, die eine ziemlich drastische Sprache verwendete, hatte von sich behauptet, sie spüre sich nur beim Ritzen, wenn sie sich mit einer Rasierklinge tiefe Schnitte in Arme und Schenkel zufüge. Viele hatten sie bedauert und ihr gute Ratschläge erteilt. Novalis hingegen traute der Geschichte nicht ganz. Er konnte sich gut vorstellen, dass
Deepness
eine taffe Managerin war, die sich im Forum von den Strapazen des Konkurrenzkampfs in der freien Wirtschaft erholte.
    Einige User waren wie kleine Kinder, die eine Krankheit vortäuschten, um gestreichelt zu werden, andere standen zweifellos am Rand des Abgrunds und suchten verzweifelt Hilfe. Für sie gab es Links zu verschiedenen psychologischen Diensten und den Hinweis, dass www.muenchner-freitod.de weder eine Psychotherapie, noch eine Krisenintervention ersetzen könne.
    Novalis konnte von jedem Mitglied sagen, wie es sich im Lauf der Zeit entwickelt hatte.
Helper
etwa war mit der Mission angetreten, Selbstmordkandidaten von der Schönheit des Lebens zu überzeugen. Nachdem er für diese naive Haltung nur Spott und Hohn geerntet hatte, entwickelte er sich nach und nach zum Berater für Suizidwillige und propagierte die Versöhnung mit sich selbst als Voraussetzung für den geglückten Freitod.
    Das Forum war wie eine Familie. Auch hier gab es Mitglieder, die nur auf Krawall aus waren. Novalis ließ diese sogenannten
Trolle
gewähren, solange sie Leben in die Diskussionenbrachten; diffamierende, extremistische oder obszöne Kommentare entfernte er kompromisslos. Akzeptierte einer die Regeln trotz mehrfacher Ermahnung nicht, schloss er ihn aus.
    Außerdem wollte er sich als verantwortlicher Administrator auf keinen Fall juristische Probleme aufhalsen. Angeblich wurden Foren wie seines zunehmend von Cyber-Cops beobachtet, die im Internet auf Streife gingen. Anstiftung zum Selbstmord war zwar kein Straftatbestand, doch wo lag die Grenze zum Totschlag in mittelbarer Täterschaft, wenn ein offensichtlich psychisch krankes Mitglied gezielt manipuliert und in den Suizid getrieben wurde?
    Novalis hatte kein Interesse daran, dass sein Forum zum Marktplatz für Suizid-Tipps wurde. Deshalb löschte er auch alle Beiträge, die detailliert zum Beispiel über die Dosierung von Schlafmitteln oder Psychopharmaka informierten.
     
    Die Uhr in der Menüleiste zeigte 0:13.   Zu keiner Zeit waren mehr User online. Novalis ließ die Bildschirme nicht aus den Augen und wurde zum Regisseur, der alle Fäden in der Hand hielt. Die Diskussion mit den meisten Usern drehte sich wieder mal um Tim Burger.
    Helper:
Habe grade ’nen alten Artikel zu Burgers Geliebter gegoogelt.
    Pusher
: Linda irgendwas?
    Helper
: Linda Heintl, exakt. Überschrift: ›Ich war dem Luder hörig‹.
    Pusher
: ›Bild‹?
    Helper:
›AZ‹. Es ging um die Zeit vor seiner Amokfahrt.
    Amok
: Und die behaupten, dass diese Linda an allem schuld war?
    Helper
: Nein, aber der Artikel erklärt manches.
    Deepness
: Auch, wie er zum Nazi geworden ist?
    Helper
: Nö. Das kommt nicht vor.
    Deepness
: Typisch.
    Cobain
: Wieso ist das denn wichtig? War auch nur ein Ausdruck für seine Verzweiflung.
    Deepness
: Ich heule gleich: der verzweifelte Nazi.
    Cobain
: Ich versuche halt, Tim zu verstehen.
    Deepness
: Oder zu verklären.
    Amok
: Quatsch. Cobain ist einfach von ihm fasziniert.
    Deepness:
Von einem Nazi?
    Cobain:
Jetzt lasst doch die Nazigeschichte mal weg. Tim Burger hatte einen großen Plan, ist komplett gescheitert und hat die Konsequenzen gezogen.
    Amok
: Für dich ist er also ein Held?
    Cobain
: Ja, irgendwie schon.
    Amok
: Und wann ziehst du die Konsequenzen?
    Cobain
: Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin.
    Henriette
: Wieso reden eigentlich alle immer über Burger und nie über den Lokführer? Der ist doch das arme Schwein.
    Amok
: Der arme, traumatisierte Lokführer.
    Deepness
: Spar dir deinen Zynismus. Hast du die

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