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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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sich zu Hagen rüber.
    »Willst du ihm nicht«, flüsterte Siggi so, dass nur Hagen und Gunhild ihn verstehen konnten, »von dem Ring erzählen?«
    »Ich bin doch nicht blöd!«, zischte Hagen leise zurück. »Ich trau dem durchgeknallten Greis nicht. Denkt dran, ich«, das Wort beton-te er besonders, »habe den Ring gefunden. Sagt ihr auch nichts davon. Der Kerl braucht nicht alles zu wissen!«
    Hagen wollte offensichtlich die Sache mit dem Ring für sich behalten. Siggi verstand zwar nicht so recht, warum, aber hielt es für besser, dem Wunsch seines Freundes Folge zu leisten, und so nickte er, ebenso wie Gunhild.
    Hagen hatte offenbar schon die Frage als Zumutung angesehen.
    Mürrisch wandte er sich ab. Seine rechte Hand glitt in die Tasche seiner Shorts, und er betastete den Ring. Es war sein Ring; denn er war schließlich den Schacht hinuntergeklettert. Auch wenn Siggi ihn – vielleicht – zuerst gesehen hatte! Kein anderer sollte je Hand an seinen Schatz legen.
    Der Graue kehrte aus seiner Gedankenwelt zurück, und er wandte sich wieder den Kindern zu.
    »Gibt es da noch etwas, von dem ihr mir berichten könnt? Irgendetwas Besonderes, das euch aufgefallen wäre?«, fragte er und konnte dabei eine innere Spannung nicht unterdrücken. Sein graues Auge nagelte Siggi und Gunhild förmlich fest. Siggi erschien es, als könne es auf den Grund seiner Seele blicken.
    »Nein«, sagte Gunhild, »nicht, dass ich wüsste. Stimmt’s, Siggi?«
    Der war nur fähig zu nicken, denn sprechen konnte er nicht. Er wusste, er würde nur stammeln, und dann würde der Graue merken, dass er log.
    Hagen würdigte den Alten keiner Antwort und schwieg, die Hand fest in der Hosentasche vergraben.

    »Und wie kommen wir wieder hier raus?«, fragte Gunhild und sah den Fremden etwas zweifelnd an. Das Schwarze Auge, dachte sie, und musste an sich halten, nicht zu kichern, doch es war eine hysteri-sches Lachen, keine echte Fröhlichkeit. Wir sind in ein Fantasy-Rollenspiel hineingeraten, und jetzt müssen wieder raus aus dem Verlies. Es war schön und gut, sich vorzustellen, durch eine Fantasie-welt zu streifen; aber daran zu glauben, dass man in einer Welt jenseits der eigenen steckte, das war eine völlig andere Geschichte.
    »Diese eine Nacht werdet ihr hier verbringen müssen. Mit dem Licht des neuen Tages ist der Bann gebrochen, der euch hierher gebracht hat, und das Tor zu eurer Welt öffnet sich wieder«, erklärte der Graue. »Nur eine Nacht…«, fügte er, mehr zu sich selbst, hinzu.
    »Dann brauchen wir nichts weiter zu tun, als hier in der Höhle zu warten, bis die Sonne aufgeht?«, fragte Hagen spöttisch.
    Der Alte fuhr sich mit der Linken übers Kinn. Sein eisgraues Auge war fest auf die Kinder gerichtet.
    »Nein«, sagte er, »nein, das wäre nicht gut. Die Swart-alfar, die Schwarzalben, könnten euch hier finden; das wäre zu gefährlich. Sie sind mächtig, und wenn sie kommen, bin nur ich zu eurem Schutz da. Ich habe etwas anderes mit euch vor.«
    »Und was?«, fragte Hagen.
    »Das werde ich dir gerne sagen«, nahm der Graue den Faden wieder auf, »wenn du mich lässt, mein skeptischer junger Krieger.« Der Alte sah Hagen an.
    »Sprich dich aus …«, sagte Hagen nur.
    »Ich werde euch zu den Lichtalben, den Lios-alfar, bringen. Die werden euch diese eine Nacht vor den Swart-alfar schützen. Am Morgen werden sie euch wieder in eure Welt geleiten.«
    »Lichtalben? Schwarzalben? Was geht hier eigentlich vor?«, wollte Gunhild wissen.
    »Die Lichtalben und Schwarzalben bekriegen sich hier in der Anderswelt seit einer Ewigkeit. Hier in diesen Höhlen tobt der Kampf schon seit vielen hundert Jahren. Keine Seite konnte bisher die Oberhand gewinnen.«
    »Die Guten und die Bösen, was?«, meinte Gunhild.
    »Was ist Gut, was ist Böse? Das sind zwei Seiten einer Münze.
    Wer kann schon sagen, welche Seite davon die richtige ist. Der Unterschied liegt im Geist des Betrachters. Die Schwarzalben sind Ymirs Brut, mit denen sollte man so wenig wie möglich zu schaffen haben«, schloss der Graue.
    »Wer ist Ymir?«, fragte Gunhild.
    Der Alte lehnte sich auf seinen Stab. Dann begann er mit seltsam rhythmischer Stimme zu sprechen:
    »Urzeit war’s, / da Ymir herrschte; Nicht war Sand noch See, / noch Salzwogen, Nicht Erde unten / noch oben Himmel, Gähnender Abgrund / und Gras nirgends …«
    Er verstummte, sah die Kinder an, bannte sie mit seinem funkeln-den Auge.
    »Ich will euch erzählen, wie die Zwerge erschaffen wurden. Hört gut zu,

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