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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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liebte, und ich konnte nicht fassen, dass sie mich wie ein schlecht verpacktes Paket diesem Rohling übergab, gleichgültig, wie fein seine Kleidung war.
    »Du bekommst eine Stellung«, sagte sie stolz. »Wirst ein Lehrling. Mit Stiefeln.«
    Der Junge des Fährmanns bereitete das Ablegen vor. Das Licht schwand, das weiche, magische Abendlicht über dem Wasser, das ich so liebte. Man hatte Fackeln entzündet, deren flackerndes Licht die Männer beleuchtete, die sich wie Schatten bewegten und die Segel nähten, die morgen an Bord der Resolution gehisst werden würden.
    Als wüsste sie, dass meiner Seele in Zukunft wenig Gefahr durch zu viel Verzärtelung drohte, umarmte Susannah mich ein letztes Mal. Und erst jetzt ging mir auf, dass ich im Begriff war, sie zu verlassen. Ich klammerte mich an sie, an ihren Geruch nach Bier und Kräuterbrei, in dem ich stets, egal, wie schlecht die Zeiten gewesen sein mochten, ein Stückchen Fleisch gefunden hatte. Ich war dabei, die Werft zu verlassen. Die großen Schiffe mit ihrer Verheißung von Freiheit.
    Jetzt würde ich nie das Knarren und Stöhnen hören und das Beben spüren, wenn die Resolution das Dock verließ, würde sie nie schwanken sehen, bis sie ihre Seebeine gefunden hatte, sobald die Segel sich knallend strafften und sie aus dem Hafen hinaus auf die offene See fuhr. Jetzt würde ich nie nach Indien gelangen, nie voller Staunen die Papageien betrachten, nie auf einem Elefanten reiten und Matthews Geschichten lauschen können.
    Matthew!
    Ich schrie laut nach ihm.
    »Vater! … Vater!«
    Ich glaube, Mr Black konnte doch nicht gänzlich gefühllos sein, denn er bat einen Schiffszimmerer, Matthew zu suchen. Den ganzen Tag über hatte ihn noch niemand gesehen, was mein Elend noch verstärkte. Er musste ohne mich nach Indien aufgebrochen sein. Doch der Fährmann brummte und fluchte, und Mr Black gab ihm ein knappes Zeichen zum Aufbruch. Mit einem Ruder stieß er gegen das Ufer, und das Boot driftete hinaus auf den Strom.
    »Wartet! Wartet! Allmächtiger Gott, ich hätte es beinahe vergessen!«
    Susannah warf mir das Tuch zu, das sie geholt hatte. Das Tuch flatterte ins Wasser, aber das, was darin eingewickelt war, landete mit einem dumpfen Aufprall vor meinen Füßen. Ihre Bibel. Es war alles, was sie besaß. Alles? Es war ihr größter Schatz. Unablässig winkend stand sie da, wurde immer kleiner und verschwamm zusehends, während der Fährmann die Ruder ins Wasser tauchte.
    Tränen brannten mir in den Augen, doch dann sah ich das mürrische Lächeln in Georges Gesicht und blinzelte sie fort. Zweifelsohne glaubte er, es sei gut für meine Seele, doch was er für gut hielt, hielt ich für eine große Sünde.
    Trotzig erwiderte ich seinen Blick. In diesem Moment schwor ich mir im Stillen bei der Bibel, die ich fest umklammerte, dass ich so bösartig sein würde wie nur möglich. Ich dachte an den Anhänger, den Matthew gestohlen hatte, an die Zukunft, die er im flackernden Licht des Feuers auf dem Hof darin gesehen hatte, und war entschlossen, dass wo immer dieses Boot mich hinbringen würde, die Reise entweder mit gewaltigen Schätzen auf den Indischen Inseln oder in Paddington Fair enden würde.

2. Kapitel
    Sie prügelten es aus mir heraus. Das Böse. Oder, wenn Ihnen das lieber ist, die kindlichen Fantasien. Mr Black verprügelte mich mit seinem Stock, bis der zerbrach, ein Vergehen, für das ich umso härter mit dem neuen Stock bestraft wurde. Gloomy George drosch mit seinem Winkelhaken das Böse aus meinem Kopf. Doch am schlimmsten war Dr. Gill, der Lehrer von St. Paul’s, den sie eingestellt hatten, damit ich lernte, Lehrbücher zu drucken, die in Latein abgefasst waren.
    Während George das Böse aus mir herausprügelte, prügelte Dr. Gill mit einer Ferula so viel Latein in mich hinein wie möglich. Dabei handelte es sich um ein flaches Stück Holz, das sich zum Ende hin birnenförmig erweiterte. In der Mitte wies es ein Loch auf, durch das schon ein Hieb den heftigsten Schmerz hervorrief.
    Schlimmer als die Schläge indes war der Keller, den ich für das kälteste und feuchteste Loch auf Gottes Erde hielt. Selbst jetzt kann ich nicht daran zurückdenken, ohne zu erschaudern, obwohl ich nur einmal zuvor dort eingesperrt worden war … aber dazu später. Ich glaube, beim ersten Mal hatte ich darin eine Art Anfall; jedenfalls sagte Mr Black, dass ich nicht wieder dort eingesperrt werden würde, und George musste sich damit begnügen, mich zu verprügeln. Mein

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