Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
lange er schon dort gesessen hatte. Womöglich hatte ich im Schlaf gesprochen, und er hatte mir zugehört, so wie ich ihm am Feuer zugehört hatte. Was immer wir einander sein mochten, wir waren durch eine gemeinsame Verpflichtung aneinander gebunden. Wir wussten, dass wir niemals Ruhe finden würden, bis wir den Anhänger aufgespürt und herausgefunden hatten, was zu den Ereignissen in jener Nacht vor sechzehn Jahren geführt hatte.
Alles, was er sagte, war: »Es ist hell genug.«
Er packte unsere Satteltaschen, und mit ein paar Tritten weckte er den Stalljungen. Bis auf den gelegentlichen Ruf des Nachtwächters, der die Zeit ausrief, war es still, und wir ritten durch die vom Mond beschienenen, leeren Gassen, bis wir die Straße Richtung Westen erreichten.
Teil II
Highpoint
September/Oktober 1642
27. Kapitel
Ehe es dämmerte, waren wir aus London heraus und hatten das Dorf Chiswick hinter uns gelassen. Als die Sonne über den grünen Feldern aufging, hob sich meine Stimmung mit jedem Atemzug der guten Luft. Lord Stonehouse hatte auf Eatons Nachricht geantwortet und ihn angewiesen, Highpoint House als Ausgangspunkt für die Suche nach Matthew zu nehmen. Das Haus lag strategisch günstig nördlich von Oxford, und Lord Stonehouse schrieb, dass er Wills Einheit der Bürgerwehr befohlen habe, in Chipping Norton zu uns zu stoßen, dreißig Meilen von Highpoint entfernt. Dies, so schrieb Lord Stonehouse, »sei sowohl der Absicht des Parlaments zuträglich und dergleichen meinem eigenen sehnlichen Wunsche, des Anhängers habhaft zu werden«.
Man erwarte, dass der König »voll Zuversicht aus Shrewsbury käme«, schrieb er, um auf London zuzumarschieren. Der Earl of Essex, der Kommandeur des Parlaments, hatte London nach einer gewaltigen Abschiedsfeier seiner Bürger am 9. September verlassen, begleitet von ernsten Gebeten und großem Applaus, mit dem Befehl, den König gefangen zu nehmen. Sobald er nicht mehr in den Fängen seiner bösartigen Ratgeber wäre, würde er die Weisheit in den Maßnahmen des Parlaments erkennen, und im Königreich würden wieder Frieden und Wohlstand einkehren.
Und was für ein Königreich! Ich war nie zuvor auf dem Land gewesen. Erst jetzt begriff ich, dass Poplar, mit seiner Hauptstraße aus Fachwerkhäusern, mit den schmalen Giebelfassaden und dem trostlosen Marschland, alles Mögliche war, aber kein Land. Voller Ehrfurcht blickte ich über ein hügeliges Feld nach dem anderen, auf denen die Stoppeln abgebrannt wurden und der Boden vor dem Winterfrost umgegraben wurde. Ich sah ein Reh – Eaton musste mir erklären, um was es sich handelte –, das aus der Deckung am Waldrand hervorbrach.
Beim Anblick all dessen schwoll mir das Herz in der Brust, und an diesem ersten Tag, bei unserem ersten Halt, ehe wir Brot und Käse brachen, schickte ich ein inbrünstiges Gebet zu Gott und dankte ihm dafür, dass er mir diesen bescheidenen Platz im großartigen Unterfangen des Parlaments eingeräumt hatte. Eaton, der sagte, dass er es mit dem Beten nicht so habe, kaute still an seinem Brot und beobachtete das Wetter. Ich hätte ewig dort verweilen und die süße Luft einatmen können. Zum ersten Mal begriff ich, dass ich mein Leben lang nichts als Kohle und Gestank eingeatmet hatte. Ich wandte mein Gesicht der Sonne entgegen, doch Eaton saß bereits wieder auf dem Pferd und meinte, dass wir besser zusehen sollten, damit wir vor dem Regen noch ein Stück vorankämen.
»Gott hat uns gutes Wetter geschickt«, protestierte ich.
»Den Vögeln hat er aber nichts davon gesagt«, erwiderte Eaton.
Wir kamen an den Rand eines Waldes, und die Vögel waren verstummt. Die Vögel behielten recht. Die ersten Tropfen fielen mit dieser erbarmungslosen Beharrlichkeit, die Eaton verriet, dass der Regen den ganzen Tag anhalten würde. Am späten Nachmittag ritten wir auf eine unheilvolle, dunkle Wolkendecke zu, die sich von Westen näherte. Die Straßen waren mit Schlaglöchern übersät und von einer Schicht aus Schlamm und Steinen bedeckt, die von den marschierenden Truppen und den Fuhrwerken von Tross und Artillerie aufgewühlt worden waren. Dazu kamen die Hinterlassenschaften und die aufgewühlte Erde der Rinder- und Schafherden, die zur Verpflegung hinter den Truppen hergetrieben wurden.
Zwischen überhängenden Bäumen passierten wir eine Kolonne Parlamentssoldaten, die einen Psalm sangen: »Die Heiligen sollen fröhlich sein und preisen und rühmen …«
Es war ein Psalm, den wir oft in Moorfield
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