Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
als ich das Brot fortgeworfen hatte. Ich rannte zum Bach und sah die Münze im Wasser glänzen, doch als ich mich danach streckte, legte er mir eine Hand auf den Arm.
»Lass sie, Tom. Es ist jetzt vorbei. Sie wird dir kein Glück mehr bringen. Genauso wenig wie der Anhänger.«
»Du hast ihn immer noch.«
»Nein, Tom.«
»Ich muss herausfinden, wer mein richtiger Vater ist. Ich will ihn nicht behalten!«
»Ist das wahr?«
»Ja!«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus und starrte auf die Münze im wirbelnden Wasser. »Ich habe ihn zurückgebracht.«
»Zurück? Wohin?«
»Nach Highpoint. Damit niemand mir vorwerfen kann, ich hätte ihn gestohlen. Ich habe ihn Kate gegeben, und sie hat ihn in das Schmuckfach in Frances’ Schlafzimmer gelegt.«
Mit offenem Mund starrte ich ihn an. »In das …! Jeder könnte ihn dort finden! Ich hätte ihn finden können!«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist ein Geheimfach … Das ist wahr!«, rief er, als er meine ungläubige Miene sah. Er sprach mit der verzweifelten Eindringlichkeit eines gewohnheitsmäßigen Lügners, dem niemand mehr Glauben schenkt, wenn er einmal die Wahrheit sagt. »Was meinst du, wo ich das Zimmermannshandwerk gelernt habe? Ehe ich den Pestkarren bekam, habe ich Holz an den Schrankbauer geliefert. Ich habe ihm zugesehen, wie er das Geheimfach gebaut hat.«
Erneut fuhr ich ihn skeptisch an. »Und woher wusste meine Mutter, wo sie danach suchen …« Ich zitterte. Doch nicht nur wegen der Abendkälte und den vordringenden Regenwolken, die langsam über die Heide krochen und den blassen Himmel allmählich befleckten wie verschüttete Tinte. Ich kannte die Antwort auf meine Frage, ehe ich sie stellte. »Du hast meiner Mutter davon erzählt, oder?« Ich schüttelte ihn. »Hast du es getan?«
Er seufzte sehr tief und erklärte, er habe immer Geschichten über den Anhänger erzählt, den jedermann bewunderte, wenn Frances Stonehouse ihn in der Kirche trug. Er prahlte damit, zu wissen, wo er lag. An jenem Nachmittag im September kam Margaret Pearce zu ihm. Sie drohte, allen Leuten zu erzählen, dass weder seine Liebestränke noch seine Hurenmedizin wirkten, wenn er ihr nichts von dem Geheimfach erzählte.
Er seufzte noch einmal, ließ den Kopf in die Hände sinken und starrte die Münze im Wasser an. »Jetzt weißt du alles. Zufrieden?«
Zufrieden? Ich zerrte Matthew von dem Stein hoch, umarmte ihn und tanzte mit ihm herum, bis er beinahe ins Wasser fiel.
»Komm! Lass uns gehen!«
»Wohin?«
»Nach Highpoint. Ehe das Tageslicht schwindet.« Ich zog ihn zu seinem Pferd und verschränkte die Finger zu einer Räuberleiter, um seinen alten Knochen das Aufsitzen zu erleichtern.
»Warte.« Er würde sich keinen Zoll von der Stelle rühren, ehe ich ihm nicht alles erzählt hätte, was geschehen war. Als er erfuhr, dass die Parlamentssoldaten vor ein paar Tagen weitergezogen waren, wich er zurück.
»Wer hat dann Mark umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich wette, es waren Cavaliere, die Richard Stonehouse dienen.«
»Mark war kein Papist.«
»Sie haben ihn getötet, um den letzten Beweis für die Eheschließung zu vernichten. Sie trugen orangene Tücher wie meines, um sich als Roundheads auszugeben.«
Ein Blitz erhellte die Heidelandschaft. Die Pferde hoben die Köpfe und traten unruhig auf der Stelle, warteten unbehaglich auf das leise Murmeln des Donners. Die Aussicht auf einen Wolkenbruch auf dem offenen Land machte es leichter, Matthew auf sein Pferd zu bekommen. Als er bereits halb im Sattel saß, hielt er inne.
»Sie haben gewartet, bis du mich findest, dann kriegen sie uns beide und den Anhänger.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht, Matthew. Wir sind beide Geschichtenerzähler.«
»Es ist ein Unterschied, ob man eine Geschichte erzählt oder mittendrin steckt. Wir reiten in eine Falle.«
»Nicht, wenn wir wissen, dass es eine ist.« Ich spürte, wie mich etwas nach Highpoint zog, wie eine Kompassnadel vom Norden angezogen wurde. Ich fühlte mich so kalt und hart wie das Metall selbst, wie das Eis, von dem es hieß, es bedecke die nördlichen Gefilde, und die Frostgeister, die Eis anstelle von Herzen hatten. »Wir können Marks Tod rächen. Und den meiner Mutter.«
»Bist du toll? Wir können nicht gegen eine Armee von Cavalieren kämpfen!«
»Nein.« Ich schwang mich auf mein Pferd. »Aber wir können den Anhänger holen.«
Er schlug sich mit solcher Kraft gegen die Stirn, dass ich glaubte, sein Kopf müsse davonfliegen. »Ihn
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