Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
Vom Netzwerk:
anzueignen, und sein Vater sei, unglücklicherweise, beinahe hinters Licht geführt worden. Dann wandte er sich an mich.
    »Wo ist der Anhänger?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Antworte Mylord!«, sagte Captain Gardiner.
    Ich sagte nichts. Vielleicht war es Richards Signal, diese Bewegung seines Umhangs im unruhigen Kerzenlicht, die mich glauben ließ, der Falke habe sich mit schwirrenden Flügeln auf mich gestürzt und meine Wange mit seiner Klaue aufgerissen. Gardiners Stoßdegen lag wieder ruhig in seiner Ausgangsposition, die Spitze zitterte noch, ehe ich spürte, wie das Blut aus dem Schnitt an meiner Wange heraussickerte und mir langsam über das Gesichte und den Hals lief.
    »Wo ist der Anhänger?«
    Ich erwiderte seinen wütenden Blick und biss mir auf die Lippen, damit ich nicht aufschrie, wenn der zweite Hieb käme, doch Richard hielt Gardiner auf und sagte etwas zu einem seiner Soldaten, der daraufhin seine Pistole zog und damit auf Eaton zielte.
    »Nimm seine Pistole, Eaton«, sagte Richard. Eaton rührte sich nicht. Jetzt waren wir zu zweit; ich mit meinem frischen Schnitt, Eaton mit seiner alten Narbe, die Richard selbst jetzt noch zu verunsichern schien. Mir fiel ein, dass Eaton mir erzählt hatte, wie Lord Stonehouse seinen Söhnen bei Ungehorsam damit gedroht hatte, Eaton würde in der Mitte der Nacht zu ihnen kommen. »Nimm sie!«, schnauzte Richard.
    Der säuerlich-ranzige Geruch von Eatons Krankheit umwehte mich, als er die Pistole aus meinem Gürtel zog.
    »Ist sie geladen?«
    »Ja, Mylord«, erwiderte Eaton.
    Richard wirkte befriedigt über diese Anrede. Er schien Eatons Demütigung ebenso sehr zu brauchen wie meine. »Spann den Hahn.« Der Soldat hielt seine Pistole unverändert auf Eaton gerichtet, als dieser gehorchte. »Eaton ist ein guter Schütze, nicht wahr, Eaton? Ich weiß es. Du bist der Beste. Du hast mir das Schießen beigebracht.«
    »Danke, Mylord.«
    »Streck deine rechte Hand aus«, sagte Richard zu mir. Als ich mich nicht rührte, sagte er gelassen, beinahe freundlich. »Eaton kann dir auch in den Ellenbogen oder in die Schulter schießen, für ihn ist das egal, nicht wahr Eaton?« Eaton nickte gleichgültig und hob die Pistole. »Aber ich erachte es für passender, wegen deiner aufrührerischen Pamphlete gegen König und Kirche, dir die schändliche Hand zu nehmen und dir zumindest den Arm zu lassen.«
    Langsam, ganz langsam, hob ich den Arm und streckte meine Hand aus. Ich wollte nicht, dass sie zitterte, aber das verdammte Ding tat es trotzdem. »Warte, Eaton – feuere nicht, ehe ich dir das Signal gebe.« Er wandte sich an mich. »Ich werde deine Hand verschonen, wenn du mir sagst, wo der Anhänger ist.«
    Folterer haben viel gemein mit denen, die Kinder brechen. Wie Gloomy George hatte Richard ein Gespür für die Schwachstellen seines Opfers. Ich spürte, dass mein ganzes Leben, alles von Bedeutung, das ich je getan hatte, in dieser Hand lag. Damit hatte ich das Gedicht für Anne geschrieben, mit diesen Fingern, die nicht aufhören wollten zu zittern, hatte ich die Große Remonstranz gedruckt. Ich wollte die Augen schließen, doch diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben, obwohl die Bediensteten noch schlimmer waren. Hastig schlurften sie aus der Schusslinie, dabei kicherten und flüsterten sie. Mit ihren vorgereckten Hälsen glichen sie denen, die an einer Grube standen, Wetten abschlossen und anschließend zuschauten, wie Hähne oder Hunde einander in Stücke rissen. Nur Rose sah bleich und elend aus und hatte sich abgewandt, doch Richard, der stets einen Blick für hübsche Gesichter hatte, lächelte und winkte sie nach vorn, als täte er ihr damit einen Gefallen. Der Soldat mit der Pistole senkte die Waffe, um besser sehen zu können, und der Mann, der das Messer an Kates Kehle hielt, schob den Kopf vor.
    Richard sagte, er würde mir Zeit geben, bis er bis fünf gezählt hätte – da ich ein Lehrjunge sei, kannte ich doch gewiss die Zahlen? Es wurde gekichert und gelacht, dann herrschte absolute Stille, als er zu zählen begann. Als er bei drei ankam, langsam und ohne Eile zählend, konnte ich es nicht länger aushalten und versuchte zu sprechen, um damit herauszuplatzen, wo der Anhänger war. Er hörte auf zu zählen. Galle stieg mir hoch, doch mein Mund war so trocken, dass ich sie weder hinunterschlucken noch etwas sagen konnte. Richard wartete. Und während er wartete, lächelte er. Dieses Lächeln des Triumphs ließ in mir alle Sturheit und den Hass auf

Weitere Kostenlose Bücher