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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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Da hätte ich mein Leben für ihn gegeben.
    Man war entweder Cromwells Mann oder sein erbitterter Gegner, und von dem Moment an, als seine barsche, bezwingende Stimme durch den Raum hallte, war ich Cromwells Mann. Meine Feder flog über das Papier, wie meine Füße über die Straße geflogen waren, als ich die Große Remonstranz bei mir getragen hatte. Ich spürte, dass er ein Feuer in mir entfachte, wie ich es seit jenen ersten berauschenden Monaten nicht mehr empfunden hatte. Kein Prediger hatte mich je so beflügelt wie er. Wenn er sprach, glaubte ich, dass die Welt sich ändern würde und dass sie sich vollkommen verändern würde. Er sprach nicht so wie andere, nannte keine riesigen Zahlen oder malte großartige Visionen. Ganz im Gegenteil. Die Visionen überließ er Gott, er war sein Diener für die Praxis. Er sprach von dem, was er kannte, von seinem Winkel Englands, für den er nicht mehr wollte, als Regimenter aufzustellen.
    Es war die Art und Weise, wie er über diese Regimenter sprach, die mich fast von meinem Sitz aufspringen ließ, denn seine Beschreibungen deckten sich mit all den Schwächen, die ich in Edgehill gesehen hatte. Die Männer würden sorgfältig ausgewählt werden, gottesfürchtige und disziplinierte Burschen. Man würde sie nach den Lehren aus der Schlacht ausbilden, nicht nach militärischen Dienstvorschriften. Vor allem jedoch würde die Kavallerie im Mittelpunkt stehen, nicht diese trägen, schwerfälligen Aufstellungen, als sei eine Schlacht ein formelles Duell nach höfischen Regeln. Was zählte, waren Beweglichkeit und der Überraschungseffekt.
    Cromwells Rede war solch ein Angriff. Sie glich einem Überfall, der Essex unvorbereitet traf. Denzil Holles, für den Angriff die letzte, nicht die erste Zuflucht war, machte ein zorniges Gesicht. Doch er sah einige der Lords zustimmend nicken, ebenso wie Mr Pym, und hielt sich zurück. Lord Stonehouse nickte weder noch schüttelte er den Kopf, sondern beobachtete die Reaktionen der anderen Männer am Tisch. Er gehörte zu jenen Menschen, die in dieser Phase eines Treffens lieber Gelder frei- als seine Gedanken preisgegeben hätte.
    Als Cromwell fertig war, startete Holles seinen eigenen Angriff. Sein Argument war einfach, aber grausam. »Ihr wart nicht in Edgehill, Colonel Cromwell«, sagte er und betonte seinen Rang auf herabsetzende Weise.
    »Ich kam zu spät, das ist wahr«, begann Cromwell. »Aber …«
    Mehrere Männer begannen durcheinanderzusprechen. Der Vorsitzende bat um Ruhe, konnte die Redner indes nicht zügeln. Vor Erbitterung ließ ich die Feder zu Boden fallen und erhob mich, um sie wieder aufzuheben. Holles Angriff war so billig und überheblich, dass ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen. Doch ich fing einen Blick von Lord Stonehouse auf, den ich für eine stumme Warnung hielt. Mr Pym sagte etwas zu mir, aber in dem Getöse verstand ich ihn nicht. In meiner Aufregung zertrat ich meine Feder mit dem Stiefel. Ich erinnerte mich, in der abendlichen Dämmerung in Edgehill beobachtet zu haben, wie ein später royalistischer Kavallerieangriff von der Parlamentsreiterei zurückgeschlagen wurde, angeführt von einem Mann, der seinen Helm verloren hatte.
    »Ihr wart nicht dort!«, rief Holles gerade.
    Bebend schleuderte ich meine zerbrochene Feder fort. »Ich war dort, Sir«, rief ich. »Und ich sah Cromwell am späten Nachmittag, bei einem Gegenangriff auf dem Schlachtfeld.«
    Abrupt kehrte Stille ein. Von allen Seiten wurde ich angestarrt, dazwischen Lord Stonehouse’ unheilvolle schwarze Augen. Alles, woran ich denken konnte, war seine kurze und bündige Ablehnung: Er redet zu viel. Es trocknete die Worte in meinem Mund aus. Das Seufzen des Windes draußen und das knackende Holz in dieser zugigen Kammer waren plötzlich zu hören. Ich konnte nicht aufhören zu zittern. Wer war ich, dass ich in diesem erlauchten Kreis das Wort ergriff? Gemein, von niederer Geburt – ein Schreiber! Ein Mann, der Meinungen niederzuschreiben hatte, sie indes nicht selbst haben durfte – geschweige denn, sie äußern. Dann sah ich, wie Cromwell mich anblickte, und dachte an seine Worte – dass ihm ein Mann lieber sei, der wusste, wofür er kämpfte, und liebte, was er kannte, als einer, der ein Edelmann war und sonst nichts. Es war, als hätte er mir die Erlaubnis erteilt, endlich meine eigene Stimme zu finden.
    Ich erzählte ihnen, wie es gewesen war, an jenem Tag ein Soldat in der Aufstellung zu sein. Wie die Reihe beim ersten Angriff

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