Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
zu nehmen. Mein Herz sank, als er die Seiten umblätterte. Der Haken musste Anne sein. Er würde niemals in eine Heirat mit ihr einwilligen. Und wenn er es nicht tat, würde ich fortgehen. Er kam zum Ende von Mr Inks Seiten, nahm die Augengläser ab, hustete und räusperte sich.
»Du hast gut gesprochen.«
»Nicht zu viel, Sir?«, wagte ich zu sagen.
Er hob die Lider und warf mir seinen Basiliskenblick zu. »Dein Schlusswort war mangelhaft. Holles hätte dich dort festnageln können.«
Er öffnete die Schublade, von der ich wusste, dass es meine war, und hielt einen Moment inne, ehe er die Rede hineinfallen ließ. »Hast du Cromwell in Edgehill gesehen?«
Ich hatte mich weit von dem Jungen entfernt, als der ich zum ersten Mal in diesem Zimmer gestanden hatte, ungestüm in seinen Träumen und Worten. Ich hatte gelernt, keinen Muskel in meinem Gesicht zu verziehen, solange ich vor ihm stand. Holles war nicht der Einzige, der Cromwell angriff. Seine Feinde hatten die Geschichte in Umlauf gebracht, er habe den Glockenturm einer Kirche erklommen, gesehen, dass das Parlament verlor, und sei geflohen.
»Es wurde schon dunkel. Ich sah jemanden, der ihm sehr ähnlich sah, Mylord.«
In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. »Hast du Cromwell gesehen?«
»Ich bin sicher, dass Cromwell nicht lügen würde, Mylord.«
Seine Wangen zitterten leicht, die Andeutung eines trockenen Lächelns. Er blickte erneut auf die Rede, dann schloss er die Schublade. »Setz dich.«
Es war eine neue Erfahrung für mich in diesem Zimmer, und ich blickte mich fahrig um. Schweigend deutete er auf einen eleganten Stuhl aus Walnussholz mit fein geschnitzter Lehne. Der unvermeidliche Falke funkelte mich bösartig daraus an, als wüsste wenigstens er, dass ich ein Blender war. Lord Stonehouse ging zum Fenster, die Hände hinterm Rücken verschränkt, und starrte hinaus auf die dunkle Straße. Eine Kutsche ratterte vorbei, dann war es so leise, dass ich die Kerzen knistern hörte. Als er sprach, war es das Letzte, was ich zu hören erwartete.
»Ist dein Bein verheilt?«
Verwirrt starrte ich seinen breiten Rücken an. »Mein Bein?«
Er schwang herum, als hätte ich ihn beleidigt. »Dein Bein!«, blaffte er. »Ist es verheilt? Nach der Verbrennung mit dem Pech?«
»Ja, Mylord. Sehr gut. Ich habe nur eine Narbe behalten.«
»Zeig sie mir.«
Verlegen stand ich auf und knöpfte meine Kniehose auf, bis mein Bein so nackt war wie an dem Tag, an dem das Pech darauf getropft war. Er starrte die gerötete, gerunzelte Haut an, berührte sie, und dann umarmte er mich, unvermittelt und unbeholfen. Die Umarmung endete so schnell und abrupt, wie sie begonnen hatte, und als er mich losließ, sah ich etwas, das einem Augenzwinkern näher kam als alles andere, das ich je in seinem düsteren, grüblerischen Blick gesehen hatte.
»Wie geht es Lady Black?«
»Die Hochzeit wird in einer der Kapellen von St. Paul’s stattfinden«, sagte ich.
»St. Paul’s!«, kreischte Mrs Black und fiel in Ohnmacht. Mr Black fing sie gerade noch rechtzeitig auf. Nachdem Jane sie mit Hilfe einer kräftigen Dosis Salz und Essig wieder zu sich gebracht hatte, waren ihre ersten Worte: »Was um Himmels willen soll ich bloß anziehen?«
»Man könnte meinen, es sei ihre Hochzeit«, sagte Sarah, die als Einzige völlig ungerührt blieb. Sie hielt standhaft an ihrer Philosophie fest, dass es nun einmal mit den Menschen bergauf und bergab geht …
»… aber es das Beste ist, da zu bleiben, wo man ist?« Ich grinste.
»Ohne deine großen Füße, die mir ständig im Weg waren, habe ich mehr Platz in der Mansarde«, schnaubte sie. »Bis du zurückkommst.«
Sie glaubte immer noch halb, dass es sich um eine von meinen Flugblattgeschichten handelte. Von Zeit zu Zeit erging es mir genauso. Während in der Drury Lane ein Haus aus dem Besitz der Stonehouse’ für uns vorbereitet wurde, hatte ich nichts zu tun. Banks, der Verwalter, und Jane kümmerten sich um alles. Sobald Lord Stonehouse herausgefunden hatte, dass sie Mrs Morlands Tochter war, hatte er darauf bestanden, dass sie den Haushalt in der Drury Lane übernahm. Eine positive Seite seines barschen, außergewöhnlichen Paternalismus war, dass er für seine Bediensteten sorgte. Als ich ihr die Stellung anbot, konnte sie nicht sprechen, sondern nickte nur und lief vor Freude rosig an. Für sie bedeutete es mehr als eine Rehabilitation, es war die Rückkehr in den Haushalt der Stonehouse’. Dort war sie aufgewachsen,
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