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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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mich, als ich sah, wie der Stock auf mich zu sauste, hielt die Hände schützend vor den Kopf und zuckte in Erwartung des Schlages zusammen. Der Stock zerbrach, als er ihn auf die Steinfliesen schleuderte. Er machte ein gequältes Gesicht, und ich fürchtete, er sei von jenem seltsamen Leiden befallen, das ihn von Zeit zu Zeit heimsuchte. Dann stand er ganz still, als habe er eine Vision, die andere nicht sehen konnten.
    Murmelnd wich George zurück. »Der Junge hat Euch verflucht. Ich habe gesehen, wie er die Lippen bewegt hat.«
    Mr Black schüttelte den Kopf, als wollte er die Vision abschütteln, so wie ein Hund sich das Wasser abschüttelt. Er packte mich bei den Schultern und schüttelte mich. »Lügst du?«
    »Nein, Sir!« Ich schluchzte, sein seltsam verzerrtes Gesicht jagte mir mehr Angst ein als Stockschläge.
    Er schüttelte mich erneut und kam mit dem Gesicht ganz nah an meins. »Es ist für mich ebenso wichtig wie für dich, dass du die Wahrheit sagst! Verstehst du das, du kleiner Narr?«
    Ich entzog mich ihm mit einem Anflug von Ärger, der meine Tränen versiegen ließ. Ich hielt mich nicht für einen Narren, und ich war auch nicht mehr klein.
    »Es ist wahr! Ich habe gehört, wie die Männer einen anderen Lehrjungen über einen Jungen mit rotem Haar ausgefragt haben, und dann hat sich der Mann umgedreht und mich gesehen, und ich bin fortgelaufen, und dann …«
    »Wo war das?«
    Die Worte erstarben in meinem Mund. Normalerweise hätte ich gelogen. Ihm erzählt, es sei auf der Straße gewesen, irgendwo, aber sein Gesichtsausdruck war so beunruhigt, so drängend, dass ich mich genötigt sah, die Wahrheit zu sagen.
    »Im Pot.«
    Ein trauriges Lächeln umspielte Georges Lippen. »Da haben wir es, Sir, da haben wir es.«
    Daraufhin erwartete ich eine Tracht Prügel. Ich wünschte, sie hätten es getan. George fand den Gedanken offensichtlich reizvoll. Er nahm seinen alten Winkelhaken aus rostigem Metall zur Hand, von dem ich immer noch eine Narbe an der linken Schläfe hatte. Doch Mr Black wies ihn zurück. Er sah mich an, mit einem Blick von solcher Traurigkeit, der mich stärker traf als jede Peitsche und jeder Stock.
    »Ach Tom, ich hatte gerade begonnen, dir zu vertrauen.«
    Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr aufhalten, die aus mir hervorbrachen, und mit ihnen ein Sturzbach an Worten. Er musste mehr von seinem Sündenfimmel in mich hineingeprügelt haben, als ich gemerkt hatte, doch es war mir verborgen geblieben, bis ein wenig Freundlichkeit alles ans Licht brachte. Das, und meine Erkenntnis, dass die Worte, welche die Welt verändern würden, durch mein Verlangen nach einem Trunk hätten verloren gehen können.
    Ich gestand die Trinkerei. Ich gestand die Würfelspiele. Ich gestand, obwohl ich fürchtete, in Mr Blacks Augen damit die größte Sünde begangen zu haben, zusammen mit Henry, Merricks Lehrjungen, getrunken und Schulden bei ihm gemacht zu haben.
    Drohend stand George neben mir und wog den Winkelhaken in der Hand. Ich wollte, dass er mich schlug. Ich brauchte seine Grausamkeit. Doch als ich mich wie ein Opferlamm auf ihn zu bewegte, hielt Mr Black ihn auf. Im Flüsterton schalt er sich selbst, weil er nicht an jemanden geschrieben hatte. Er nahm Feder und Tinte, als wollte er auf der Stelle einen Brief schreiben, dann legte er beides wieder hin und schritt erneut auf und ab.
    Auf meine Bestrafung zu warten, machte es zehnmal schlimmer. Ich fühlte mich so sterbenselend, dass ich ihn anflehte, meinen Lehrvertrag aufzuheben und mich nach Hause zu schicken. Ich würde meine Uniform und die Stiefel zurückgeben, mir ein paar alte Sachen von der Lumpenfrau am Tower Hill besorgen und zu meinem Vater zurückkehren.
    Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte mich an, als hätte ich etwas gesagt, das ihm zunächst einen Schock versetzte und anschließend amüsierte. »Zu deinem Vater? Nein, nein, das geht nicht, das geht gar nicht. Dafür ist es viel zu spät. Und was die Stiefel angeht …« Er schenkte mir eines seiner seltenen freudlosen Lächeln. »Ich bezweifle, dass sie irgendjemand anders passen würden.«
    Der Hauch von Ungezwungenheit fiel von ihm ab. »Du wirst dieses Haus nicht eher verlassen, als ich es dir gestatte. Ist das klar?«
    Nein. Nichts war klar. Weder das Böse, von dem er sagte, es sei in meiner Seele, noch der geheimnisvolle Edelmann, der plötzlich in mein Leben getreten war und derartige Bestürzung bei ihm ausgelöst hatte. Gleichwohl versprach ich, ihm zu

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