Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
Vom Netzwerk:
und ich nahm sie und küsste sie. Jetzt konnte ich nicht anders und lächelte und lachte.
    »Nein, nein, Mutter Banks, es tut mir leid, aber danke … ich wurde schon so oft für den Teufel gehalten! Aber ich hoffe, ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin derselbe alte Tom, Tom Neave, die Hände so schwarz wie eh und je. Seht Ihr? Doch jetzt ist es Tinte, kein Pech.«
    Ich umarmte sie, und sie lachte mit mir, denn wir beide brauchten etwas Fröhlichkeit an diesem düsteren Tag. Sie lachte vor Erleichterung und noch aus einem anderen Grund, denn wie ich hatte sie eine Neigung zum Praktischen. Gleichwohl spürte ich einen Hauch des Bedauerns bei ihr und sah erneut den schmalen Grat zwischen den Geschichten, die wir einander erzählten, und jenen, die wir für wahr hielten.
    Als ich in jener Nacht schließlich vor dem niedergebrannten Feuer auf den Schlaf wartete, ging und ging mir Susannahs Rätsel nicht aus dem Kopf. Ihr Kind und doch nicht ihr Kind. Zum ersten Mal begann ich Fragen zu stellen, die ich mir schon längst hätte stellen sollen.
    Hatte ich nicht zu leicht die Geschichten geglaubt, die ich mir selbst erzählt hatte? Zum Beispiel, dass Mr Black mich aus keinen anderem Grund zu seinem Lehrjungen gemacht hatte, als dass er von meiner wundersamen Gabe des Lesens gehört hatte?

    Während der Nacht kam ein bitterer Ostwind auf und vertrieb den Nebel. Mutter Banks brachte mich nach St. Dunstan’s und zeigte mir die unmarkierte Stelle, an der Susannah begraben lag. Ihr Grab befand sich in einer vernachlässigten Ecke, dort, wo der Wind über das Marschland fegte. Er beugte die Bäume in eine Richtung, während die Kirche sich, nachdem der Boden abgesackt war, zur anderen neigte. Es gab keine Grabsteine, und das ungeschnittene Gras wucherte, bis auf die Stelle mit dem frischen Grab.
    Zumindest bot die Stelle einen weiten Blick über die Marsch, die ich so liebte, und wo das Land, in dem die Flut glänzende Wasserpfützen hinterlassen hatte, mit dem tiefen grauen Himmel verschmolz. Erneut spürte ich Tränen aufsteigen, ich sank auf die Knie und versuchte zu beten, konnte aber nicht aufhören, an die beiden Männer und das Feuer zu denken.
    Wir markierten ihr Grab mit einem kleinen Steinhaufen, und ich schwor, eines Tages zurückzukehren und einen ordentlichen Stein aufzustellen.
    »Ist an dem Abend vor dem Feuer irgendetwas Besonders geschehen?«, fragte ich auf dem Rückweg.
    »Nein. Nun ja …« Mutter Banks zögerte.
    »Was?«
    »Als ich hinausging zum Abtritt, hörte ich Susannah schreien und rufen.«
    »Habt Ihr an die Tür geklopft?«
    »Nein.« Sie schluckte nervös. »Ich hatte Angst! Du weißt nicht, wie sie war, Tom! Sie konnte mitten in einer Versammlung aufstehen und schreien, dass der Herr über sie gekommen sei.«
    »Hat sie das an dem Abend auch gerufen?«
    »Nein, nein, ich kann mich nicht erinnern. Nun ja … ich hörte sie rufen ›Gott weiß, dass ich nicht weiß, wo er steckt!‹ Dann wurde es still. Ich dachte, sie hätte im Schlaf geschrien.«

    Im Trockendock stand das Skelett eines neuen Schiffes, aber keine Männer arbeiteten daran, als ich nach dem Besuch des Friedhofs dorthin ging. Auf meinem Weg ins Kontor des Schiffsbauers kam ich an einem Eimer mit erstarrtem Pech vorbei.
    Der Schiffsbauer machte eine Bemerkung, wie groß ich geworden sei, und sagte, früher habe er stets zu mir hinunterblicken müssen, und jetzt müsse er aufblicken. Ohne meine feuerroten Haare und die wie ein Bug hervorstehende Nase hätte er mich gar nicht erkannt. Er nahm an, dass ich wegen Susannahs Tod zurückgekehrt sei, und ich erzählte nichts davon, dass ich meinen Vertrag gebrochen hatte, doch in seinem Gebaren lag eine Nervosität, als hege er einen Verdacht. Er hatte ein verletztes Bein, und als er die Schritte eines der wenigen Arbeiter draußen auf dem Hof hörte, humpelte er rasch zur Tür, um zu sehen, wer es war, als fürchte er einen unwillkommenen Besucher.
    Die meisten Männer seien weitergezogen, um sich eine andere Arbeit zu suchen, erklärte er mir. Nachdem der Kiel des Schiffes draußen auf Stapel gelegt worden war, war das Geld ausgegangen. Drei Edelleute waren an dem Boot beteiligt. Als einer von ihnen wegen Schulden eingesperrt worden war, hatten sich die anderen geweigert zu zahlen, bis sie den Anteilseigner ersetzt hatten. Er sagte, solange der Streit zwischen dem König und dem Parlament anhielt, kümmere sich niemand mehr um seine Geschäfte, genauso wenig wie um das

Weitere Kostenlose Bücher