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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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es nicht anders. Ich konnte nicht aufhören zu zittern. Zwei Männer. Am Tag, nachdem ich davongelaufen war. Die das Offensichtliche vermuteten und annahmen, ich sei geradewegs nach Poplar gegangen. Die nicht mich, sondern meine Mutter fanden.
    »Wo ist sie?«
    »Begraben. Gestern. Es tut mir leid, Tom, es tut mir so leid. Komm mit mir.«
    Ich war wieder wie ein Kind und wechselte von Ungestüm zu unkontrolliertem Schluchzen. Mutter Banks führte mich zu ihrem Haus und murmelte, dass die Tränen mir gut täten, aber ich glaubte ihr nicht und konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich je wieder besser fühlen würde. Zuerst hatte ich Matthew verloren – denn ich war überzeugt, ihn nie wiederzusehen –, und jetzt Susannah!
    Mutter Banks hatte nur wenig Kohlen, also kehrte ich zurück in die Ruine unseres Hauses und klaubte Stücke halbverbrannten Holzes auf. Der klamme gelbe Nebel draußen war inzwischen so dick, dass beharrlich eine dumpfe Schiffsglocke ertönte, denn jedes Schiff, das noch keinen sicheren Platz gefunden hatte, musste ganz langsam fahren. Mutter Banks entzündete ein Feuer und wärmte etwas dicke Suppe auf, die ich mich zunächst weigerte zu essen, dann aber gierig verschlang.
    Der leere Teller entglitt meinen Fingern. Ich spürte, wie sie ihn mir sanft aus der Hand nahm.
    »Sie hätte … niemals … eine Kerze brennen lassen«, wiederholte ich dickköpfig.
    »Susannah hat sich verändert. Sie war nicht mehr so, wie du sie gekannt hast.«
    »Verändert?«
    »Schhh. Versuch zu schlafen.«
    »Wie hat sie sich verändert?«, murmelte ich.
    »Sie ist Laienpredigerin geworden.«
    »Eine Frau als Predigerin?«
    Ich lächelte. Das war die Art Geschichte, die ich bei den Flugschriften liebte, die Sorte, von der man nie wissen konnte, ob sie wahr war, aber von der man hoffte, sie sei es. Es waren diese Geschichten, welche die Leute für einen oder zwei Pennys kauften und am Feuer nacherzählten, bis viele Menschen sie glaubten. Die Art von Geschichte, über der man einschlief. Doch diese hier machte mich putzmunter, und erstaunt starrte ich Mutter Banks an.
    Susannah hatte aufgehört, zu Mr Ingram nach St. Dunstan’s zu gehen, und hatte sich stattdessen einem unabhängigen Pfarrer angeschlossen, bei dem man seine Gebetete im Stillen verrichtete, bis eine Person sich berufen fühlte zu sprechen. Den meisten Frauen fehlten die Worte, und sie wandten sich an den Pfarrer, einen Mann, damit er sie führte; doch es schien, als habe Susannah das besessen, was er die Gabe der Zungenrede nannte. Sie erhob sich und schlug den Raum in ihrem Bann, während ihre Worte überall ertönten.
    Sie sagte, der große Tumult in London, der vom Parlament angestachelt wurde, kündige von der Wiederkunft des Herrn. Christus sei wiedergeboren, dieses Mal nicht in einem Stall, sondern in einer Pestgrube. Sie behauptete, einen Zeugen dafür zu haben, und gab eine ungereimte Geschichte aus Bibelzitaten und Erlebnissen von sich, die ihr angeblich selbst zugestoßen waren. Oxford wurde zu Bethlehem, und König Charles zu Herodes.
    Aus den umliegenden Gemeinden begannen die Menschen zu ihr zu kommen, selbst diejenigen, die sie für verrückt hielten, denn eine fremde Stimme sprach aus ihr. Manche glaubten tatsächlich an ihre Prophezeiungen, dass sich erneut Menschen gegen Christus verschworen hätten.
    »Was haltet Ihr von dem, was meine Mutter gesagt hat?«, fragte ich.
    Sie zögerte. »Zuerst glaubte ich, es sei der Hunger.«
    »Hunger?«
    »Sie hat gefastet. Tagelang nahm sie nichts zu sich außer Dünnbier. Dann …« Sie zögerte erneut. Ein Holzscheit sackte ein und warf einen flackernden Lichtschein auf ihr Gesicht. »Sie sprach in Rätseln, wie in der Bibel. Sie sagte, du seist ihr Kind und doch nicht ihr Kind.«
    Ich lachte. »Was soll das heißen?«
    Die flackernde Flamme erstarb, und ihr Gesicht lag im Dunkeln. »Es gab ein Kind, das seiner Mutter gehörte und nicht seiner Mutter«, sagte sie.
    Ich hörte auf zu lachen und starrte sie an. Sie hatte die Hände gefaltet, und ihr Gesicht kam erneut ins Licht des Feuers. »Ich habe so sehr darum gebetet, dass du kommst! Und als du so aus dem Nebel getreten bist … da dachte ich … einen Moment …«
    Ich ergriff ihre Hände und schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen, so überwältigt war ich von dem Ausdruck des Vertrauens und der Hoffnung in ihrem Gesicht.
    »Ihr seid nicht … Er, der gekommen ist?«
    Sie streckte eine Hand aus, um mein Gesicht zu berühren,

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