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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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ich hätte es getan. Ich zögerte nicht aufgrund dessen, was er mir zurief, denn ich fasste seine Warnung vor der Gefahr, in der ich schwebte, nur als weiteres Geschwätz über die Gefahren für meine Seele auf. Doch da die Hölle nicht ärger sein konnte als dieser finstere, rattenverseuchte Keller, beschloss ich auf der Stelle, dass ich in Zukunft selbst für mein Seelenheil sorgen würde.
    Nein, es war der Ausdruck des Entsetzens auf Annes Gesicht, als ich auf die Hand ihres Vaters getreten war, der mir ins Herz schnitt und mich zögern ließ. Mr Black kam auf mich zu. Der Zorn war aus seinen Zügen gewichen. Stattdessen spiegelte sein Gesicht dieselbe Besorgnis, die ich erst wenige Stunden zuvor gesehen hatte, als er mich gelobt hatte.
    Ich zögerte immer noch, während er näherkam. Wenn ich zurückkehrte, was sollte ich Anne sagen? Erklären? Was erklären? Mich entschuldigen? Warum sollte ich mich entschuldigen? Ich hatte so viele Schläge eingesteckt, und ich würde es nicht länger dulden. Trotzdem blieb ich stehen, bis er mich fast erreicht hatte, denn er war mein Master, und ich respektierte ihn und hielt ihn für einen guten Mann. Anders als George schlug er niemals aus Bösartigkeit, sondern nur, damit ich mich dem beugte, was er für das Richtige hielt.
    Und so stand ich da, hypnotisiert von den dunklen Augen inmitten der tiefen Falten seines Gesichts. Er war beinahe nah genug, um mich zu berühren, als ich über dem krummen Vorsprung des Hauses die ersten Lichtstrahlen am Nachthimmel entdeckte.
    Unvermittelt brachten sie die Erinnerung an den dunklen Keller mit aller Macht zurück, an dieses entsetzliche Sehnen, die ersten winzigen Lichtblitze durch den Putz zu erspähen, dass ich meinen Blick von ihm losriss, mich umdrehte und rannte.
    Er rief noch etwas, aber ich konnte ihn nicht länger verstehen. Ich rannte durch Cloth Fair nach Smithfield, wo bereits die ersten Rinder auf den Markt geführt wurden. Ich warf meine blaue Mütze fort, die mich als Lehrjungen auswies, und war auf der Stelle inmitten der trampelnden Hufe verborgen. Es gab zwei Hirten. Ich hob einen Stecken auf und wurde zum dritten, so wie ich es manchmal als kleiner Junge in Poplar getan hatte.
    Und dieser Stecken, mit dem ich die schwankenden Rinderleiber anstupste, sowie das Licht, das sich langsam in den Nachthimmel über dem großen Marktplatz fraß, wie ich es so oft mit halbgeschlossenen Augen drüben am Hafen gesehen hatte, wenn Matthew und ich zur Werft stolperten, erfüllten mich mit einer überwältigenden, quälenden Sehnsucht nach zu Hause.

5. Kapitel
    Ich wünschte von ganzem Herzen, ich wäre eher nach Poplar zurückgekehrt, aber ich wagte es nicht, den direkten Weg durch Aldgate zu nehmen, aus Angst, beobachtet zu werden.
    Ich brach nicht nur mein Wort: Die Kleider, die ich am Leib trug, und die Stiefel an meinen Füßen gehörten Mr Black. Nachdem ich zum ersten Mal davongelaufen war, einen Monat nach meiner Ankunft, war ich prompt gefasst worden. Damals hatte man mir eingeprügelt, dass ich die Kleidung, die ich trug, gestohlen hätte, und dass man mich dafür in Newgate einsperren könnte.
    Statt nach Osten zu gehen, wie man es gewiss von mir erwartete, machte ich mich auf den Weg zum Fluss mit der vagen Hoffnung, einen Fährmann zu überreden, mich überzusetzen. An der Blackfriars Treppe lachten sie oder schüttelten den Kopf. Aber weiter flussabwärts reparierte ein Fährmann sein Boot, das arg durchlöchert war. Ich half ihm, kochte das Pech, wie ich es früher getan hatte, und kalfaterte das Boot. Ich schlief in seiner Hütte, in die der Nebel kroch wie ein alter Freund, so wie ich es von zu Hause gewohnt war, wenn er aus dem Moor aufstieg und das gegenüberliegende Ufer des Flusses verschwinden ließ.
    Der Fährmann bezahlte mich mit Brot, getrocknetem Leng und Aal sowie einer Seemannsmütze und einer zerrissenen Jacke, mit der er eines der Löcher in seinem Boot ausgestopft hatte. Die Mütze und die zerlumpte Jacke halfen, meine Uniform zu verbergen, bis ich endlich die Poplar High Street erreichte. Der Nebel hüllte die Häuser in weiche, unbestimmte Schatten und dämpfte die Schritte, so dass ich, als ich mich mit wachsender Erregung unserem alten Haus näherte, beinahe in eine Frau hineingerannt wäre. Eine Entschuldigung murmelnd, wich ich ihr aus.
    »Tom!«
    Sie war so in Kleider gehüllt und hatte ein Tuch vor ihr Gesicht geschlungen, dass ich sie nur an der Stimme als unsere alte Nachbarin erkannte.

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