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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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Akzent und sagte, der Lord Mayor sei ausgegangen, und er warte ebenfalls auf ihn.
    Er schob mein Gesicht zur Seite, so dass er mein Profil sehen konnte, und murmelte etwas auf Holländisch. Er sagte, er sei es leid, immer nur alte Männer zu malen, die jung und schneidig aussehen wollten, und zur Übung würde er zu gerne eine Skizze von jemand Jungem und Schneidigem anfertigen.
    Ich fühlte mich geschmeichelt und staunte über die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der er mich skizzierte. Als der Schreiber mit der Antwort für mich sowie der Nachricht kam, dass der Lord Mayor jetzt zu sprechen sei, hatte der Maler mich eingefangen wie einen Vogel im Flug. Ein Grinsen. Einen Schmollmund, wenn ich mich langweilte. Im Profil. Mit großen Augen direkt aus dem Blatt Papier herausstarrend.
    Während die Kohle über das Papier flog, knurrte er: »Eure Augen. Die Nase. Alles, bis auf das Haar.«
    »Was meint Ihr damit?«
    Er schien zu sehr in Anspruch genommen von der nächsten Skizze, um antworten zu können. »Dreh dich um. Nein, nein! Anders herum.«
    Ich bettelte ihn an, mir eine Skizze zu schenken, aber er sagte, er bräuchte sie alle.
    »Vielleicht wirst du ja eines Tages das Gemälde sehen, hm?«
    Er lächelte, tätschelte meine Wange und hinterließ Spuren von Kohle und Farbe, die ich nicht fortwischte, sondern wartete, bis sie von allein verschwanden.
    Peter. So lautete sein Name! Ich starrte auf das Rechungsbuch. P. Lely. Peter Lely. Vielleicht hatte Mr Black ihn beauftragt, ein Porträt von sich selbst anzufertigen? Nein. Kein Drucker konnte sich das leisten, und wenn er könnte, würde es gewiss gut sichtbar irgendwo hängen. Jemand hatte für ein Porträt von mir bezahlt. Aber wer? Warum? Und wo war es jetzt?
    Über mir hörte ich Schritte, die tiefe Stimme des Doktors und Mrs Blacks leise geflüsterte Antwort. Rasch blätterte ich durch die restlichen Seiten. Ein zusammengefaltetes Blatt Papier, das ich für ein Lesezeichen hielt, rutschte aus dem Buch. Ich hob es auf und legte es auf den Tisch. Im Rest des Buches fand sich nichts mehr von Interesse, aber am Ende entdeckte ich einen völlig neuen Abschnitt. Mr Black hatte das Buch umgedreht, um auf der letzten Seite damit zu beginnen. Es handelte sich um eine Mischung aus einem Tagebuch und dem Bericht eines Vormunds über meine Fortschritte oder den Mangel derselben.
    Ich sei »störrisch wie ein Esel«. »Aufgeweckt, aber unbändig.« An einem Tag gab es einen »Hoffnungsschimmer«, am nächsten vollkommene Verzweiflung. »Wenn ich könnte, würde ich ihn ins Boot zurück nach Poplar setzen.«
    Wie sich bald herausstellte, waren dies Notizen für einen Bericht mit sorgfältiger gewählten Worten, denn ich stieß auf den Entwurf eines solchen Reports, in dem mehrere abgeänderte Einträge zusammengefasst waren. Er war vor zwei Monaten verfasst worden, und darin hieß es: »Mr Tom spricht Latein wie ein Gelehrter, und ich habe ihm eine gute italienische Handschrift beigebracht, er kann bei Tisch eine Gabel benutzen, aber seine Tugendhaftigkeit muss immer noch ernstlich in Frage gestellt werden.«
    Mr Black hatte Berichte von Dr. Gill bekommen. Warum hat er die geschrieben? Sie mussten für dieselbe Person bestimmt sein, die das Porträt in Auftrag gegeben hatte. Das Rech-nungsbuch beantwortete zumindest einige der Fragen, die begonnen hatten, mich zu plagen. Mr Black war dafür bezahlt worden, dass er mich erzog und ausbildete, entweder von dem Mann mit der Narbe oder, was wahrscheinlicher war, von dem freundlichen alten Edelmann, den er vertrat, wie Matthew mir erzählt hatte.
    Mir fiel das Stück Papier ein, das ich aufgehoben hatte, und ich faltete es auseinander. Es war Teil eines Briefes, geschrieben auf anderem, dicken Papier von bester Qualität, dessen Handschrift sich sehr von Mr Blacks unterschied. Mein Lehrmeister war stolz auf seine Handschrift, die einfache, sich neigende Schrift eines Geschäftsmanns ohne Schnörkel, wie es erforderlich war für Mitteilungen, die vielleicht rasch im dämmrigen Licht oder auf einem schwankenden Karren gelesen werden mussten.
    Dieser Brief war in einer unregelmäßigen linkischen Schrift verfasst, großzügig mit Kapitalen gesprenkelt, mit kräftigen Federstrichen versehen, die sich durch die umgebenden Zeilen schnitten und es schwer machten, die Worte zu entziffern, so dass ich das Papier näher an die Kerze halten musste. Solch ein Papier benutzten nur Edelleute, möglicherweise jemand, der einen

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