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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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Entzücken.
    »Versuchst du, dein Kind umzubringen? Ein Maul weniger zu stopfen?«
    Ich empfand all die Angst und all den Hass, den ich in der Stimme meines Vaters gehört hatte, als er von diesem Mann gesprochen hatte. Und Wut, weil darin keine Spur von Sorge um das Kind oder seine Mutter lag. Ein fast unkontrollierbarer Drang erfüllte mich, den Mann aus seiner Kutsche zu zerren. In diesem Moment ergriff die Frau das Wort.
    »Es tut mir leid, Sir. Ich bitte aufrichtig um Verzeihung. Es ist meine Schuld.«
    Als ich den flehentlichen, bittenden Ton in ihrer Stimme hörte, mit der sie die Schuld dafür auf sich nahm, dass die Kutsche so rücksichtslos gefahren war, hielt ich es nicht länger aus. Ich reichte ihr das Kind und ging auf die Kutsche zu.
    Doch der Insasse hatte sich bereits abgewandt, gab sich widerwillig mit ihrer Entschuldigung zufrieden und rief dem Kutscher, der die Pferde mit einiger Mühe wieder beruhigt hatte, zu: »Auf, Mann, auf und weiter! Ich muss nach Westminster, ehe es dunkel wird.«
    Er schloss den Vorhang. Der Kutscher suchte nach seiner Peitsche, ließ sie knallen, und der Wagen fuhr mit einem Ruck an. Ich starrte ihm nach. Trotz der kühlen Abendluft brach ich in Schweiß aus ob des Gedankens, wie nah ich daran gewesen war, mich selbst zu verraten. Etwas berührte sanft meinen Ellenbogen. Die Frau streckte mir das Tuch entgegen, in das die blutigen Überreste gewickelt waren, die sie ergattert hatte. Ich verspürte einen doppelten Stich: weil sie mir ihr Abendessen anbot, und weil ich womöglich aussah, als könnte ich es brauchen. Sie flüsterte dem kleinen Mädchen etwas zu.
    »Danke«, sagte das Mädchen.
    Ich lächelte und wollte in einer galanten Geste meinen Hut lüpfen und mich verbeugen. Doch ich stellte fest, dass der Hut verschwunden war, und tat, als sei ich zutiefst überrascht, was bei dem Mädchen ein Kichern und ein Lächeln bei der Frau hervorrief. Ich gab vor, ihn nicht finden zu können, obwohl er direkt vor meinen Augen lag, woraufhin das Mädchen ein perlendes Lachen hören ließ.
    »Da ist er!«
    »Wo?«
    »Da!«
    Das willkommene kleine Spiel wurde von einer vertrauten Stimme unterbrochen.
    »Was ist hier los?« George war aus dem Half Moon Court getreten. Er trug immer noch einen Verband, dort, wo ich ihn mit dem Schürhaken getroffen hatte, aber sein umherhuschender Blick war so scharf wie eh und je. Ich wandte mich ab und hob meinen Hut auf. Die Frau erzählte ihm, was geschehen war. Alles, was ihn zu interessieren schien, war, dass die Kutsche und sein Passagier verschwunden waren. Rasch hob ich die Uniform auf, die von den Rädern der Kutsche zerrissen und beschmutzt worden war. Ich spürte seinen Blick auf mir, doch dann hörte ich Annes Stimme.
    »George, gehst du?«
    Mir wurde leicht ums Herz! Wenn ich nur mit ihr sprechen könnte, ehe ich vor ihren Vater trat!
    »Ich muss meinen Umhang holen«, sagte George. »Es ist ein kalter Abend.«
    »Bitte beeil dich!«
    »Schon gut, schon gut«, murrte er.
    Er warf mir einen weiteren neugierigen Blick zu. Ich bückte mich und sammelte einen verfaulten Apfel aus dem Abwasserkanal auf, was ihn zufrieden zu stellen schien. Vermutlich war ich ein Bettler, und er wollte zurück in den Hof. Unter den überhängenden Giebeln war es dunkler, und es war leicht, ihm zu folgen, indem ich mich auf der anderen Straßenseite im Schatten der Häuser hielt. Obwohl meine neuen Schuhe undicht waren, machten sie weniger Lärm als die plumpen Stiefel. Im Haus wurden Kerzen angezündet. Am längsten hatte stets das Licht in meiner Kammer gebrannt, und ich konnte immer noch die Bibel meiner Mutter auf der Fensterbank liegen sehen.
    Ich war entschlossen, zumindest diese mitzunehmen.
    Anne kam zur Tür. Sie trug ein hellblaues Kleid mit hoher Taille, von dem ich wusste, dass es ihr bestes war. Vermutlich hatte sie es zu Ehren des Besuchers angezogen. Darüber trug sie eine Schürze. Sie hielt Georges Umhang in der Hand. Er schien sich endlos Zeit zu lassen, ihn umzulegen, und die ganze Zeit über schüttelte er ernst den Kopf, bis er sich endlich dazu durchrang, etwas zu sagen.
    »Was Mr Black zugestoßen ist, ist Gottes Heimsuchung für Euer Verhalten, Miss Black«, sagte er.
    Entsetzt sah sie ihn an. »Was meinst du damit?«
    »Ich denke, das wisst Ihr«, sagte er fest.
    »Ich weiß es wahrhaftig nicht. Und jetzt hol den Doktor!«
    Ich starrte hinauf zum Fenster von Mr Blacks Schlafzimmer. Im flackernden Kerzenlicht konnte ich lediglich

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