Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
Vom Netzwerk:
könnte.
    Forschend starrte sie mich an. Voller Panik merkte ich, dass sie etwas zu mir gesagt hatte, und ich hatte kein Wort verstanden.
    »Hat er keine Stimme?«, sagte sie zu Jenkins, der mir einen heftigen Stoß versetzte.
    »Doch«, sagte ich und fand die Sprache mit Mühe wieder.
    »Kannst du diesen Brief zu Mr Pym bringen?« Als ich meinen Mund öffnete, ahnte sie schon meine Erwiderung und wischte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. »Ich meine jetzt, während der Debatte, und ihn stören?«
    Es war Fremden unmöglich, das House während der Sitzung zu betreten, aber genauso unmöglich schien es, ihr das zu sagen.
    »Ja.«
    Ein weiterer heftiger Stoß von Jenkins. »Ja, Ma’am«, sagte er. »Weißt du nicht, wie du Höherstehende anzusprechen hast?« Salbungsvoll und entschuldigend wandte er sich an die Countess. »Verzeiht, Ma’am, es sind die Zeiten, der Pöbel …«
    »Ach, sei doch still, Jenkins!« Sie reichte dem Lakaien den Brief. »Geben Sie ihn ihm«, sagte sie, als sei es gefährlich, mir nahe genug zu kommen, um ihn mir persönlich auszuhändigen.
    Mit einem Blick voll puren Hasses reichte Jenkins mir den Brief, und ich fügte ihn meiner immer längeren Liste von Feinden auf dieser Welt hinzu. Ich nahm den Brief, blieb jedoch stehen, unfähig, den Blick von ihr abzuwenden.
    »Mach schon«, rief sie. »Mr Pyms Leben hängt davon ab! Lauf!«
    Ich rannte. Für sie würde ich alles tun. Wie Merkur dahinfliegen, der als Bote für solch eine Göttin angemessen gewesen wäre.
    »Halt! Warte!«
    Mit einem Ruck kam ich zum Stehen und stürzte beinahe noch einmal in den Schnee. Die Countess eilte zur Kutsche. Sie war eine Frau, die erwartete, dass jeder mit ihren rasch wechselnden Gedanken Schritt hielt.
    »Komm her! Steh nicht so rum!«
    Ich hatte keine Ahnung, dass sie den Ruf hatte, das Unglaubliche, das Undenkbare zu tun. Ich rannte zurück, sah ihr zu, wie sie in die Kutsche stieg, das Kleid angehoben, so dass ihre Unterröcke für einen Moment ihre Galoschen umspielten.
    »Steig ein!«
    Stumm stand ich da, als sei ich wie der Schnee festgefroren. Sie wandte ihren Blick gen Himmel, als wollte sie Gott fragen, warum sie es nur mit Schwachköpfen zu tun hatte. »Du wirst es niemals rechtzeitig schaffen. Jenkins!«
    Ein entsetzter Jenkins sprang vor, rutschte aus, rettete sich, indem er die offene Kutschentür umklammerte, und warf mir einen weiteren hasserfüllten Blick zu – dieses Mal war er zusätzlich noch erfüllt von Ungläubigkeit. Jenkins stieß mich hinein und knallte die Tür zu. Die Countess klopfte gegen die Verkleidung, die Kutsche fuhr ruckend an, und ich wurde gegen die Countess geworfen. In ihrer Miene flackerte Abscheu auf, als ich sie berührte. Einem Ertrinkenden gleich packte ich einen schwankenden Halteriemen und zog mich in die gegenüberliegende Ecke. Während die Kutsche rumpelnd vom Platz in die Bow Street einbog, klammerte ich mich an den Riemen, ganz benommen von ihrem Duft, der sich schwer um mich zu legen schien. Wegen des gewaltigen Gestanks in London war ich so daran gewöhnt, kurze, forschende Atemzüge zu nehmen, dass es eine ganz neue Erfahrung für mich war, so tief einzuatmen und mich gänzlich dem Luftholen hinzugeben. Erstaunt stellte ich fest, dass es nicht ein Duft war, sondern viele; Jasmin und Lavendel betäubten die Sinne, nur um von einem scharfen Anflug Zimt erneut angeregt zu werden.
    Die Bremsen quietschten, und ich ließ den Halteriemen los, woraufhin ich mit dem Kopf gegen die Vorderwand der Kutsche knallte und meinen Hut verlor. Karren und Kutschen bogen in The Strand ein und verstopften die Straße vor uns so dicht wie Hammelpasteten den Ofen des Kochs. Der Kutscher eines Karrens und der einer Mietkutsche schrieen sich an.
    »London wird immer unmöglicher! Du solltest besser laufen!«, befahl die Countess.
    Ich tastete nach dem Türriegel, als sie sah, dass zwischen zwei Karren eine Lücke entstand. Sie riss einen Stock mit silbernem Knauf hoch, hämmerte damit gegen die Trennwand und rief: »Fahr über die Piazza, Alfred!«
    Als die Pferde scharf nach rechts ausscherten, schwang die Tür auf, und ich wurde hinausgeschleudert, bis ich halb aus der Kutsche hing. Verzweifelt klammerte ich mich an die Tür, das Kopfsteinpflaster unter mir verschwamm zusehends, ehe die Pferde mit einem scharfen Ruck nach rechts auf die Piazza bogen und ich wieder ins Innere der Kutsche geworfen wurde. Benommen vom Duft der Countess und dem Schlag auf

Weitere Kostenlose Bücher