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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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was du für mich empfindest!«
    Sie hob einen Zweig auf und schlug damit gegen ein paar Kräuter. »Ich empfinde nichts! Gar nichts!«
    »Das ist nicht wahr! Ich habe den Ausdruck in deinen Augen gesehen!«
    »Der Ausdruck in meinen Augen!«, spottete sie, und jetzt lag in ihrem Blick dieselbe Grausamkeit, mit der sie sich als Kind über meine Affenfüße lustig gemacht hatte. Doch ich hielt ihrem Blick stand, bis sie sich schließlich mit einem Achselzucken abwandte und den Kräutern einen weiteren wilden Hieb versetzte.
    »Sag mir, dass du mich nicht liebst«, sagte ich. »Dann werde ich gehen und niemals versuchen, dich wiederzusehen.«
    Sie schien mich nicht zu hören. Sie begann die Kräuter aufzusammeln, die sie zuvor abgeschlagen hatten. Erneut bat ich sie, mir zu sagen, dass sie mich nicht liebe, und ich würde verschwinden.
    »Ich kann nicht«, flüsterte sie. Zwischen den Kräutern waren Nesseln, die sie verbrennen mussten, aber sie schien es nicht zu bemerken.
    »Du kannst nicht? Was meinst du damit?«
    Sie ließ ein leises Stöhnen hören, und einen Moment glaubte ich, sie würde ihr Gesicht in die Brennnesseln drücken. »Es ist eine Sünde, dich zu lieben.«
    Als Allererstes verstand ich, dass sie mich liebte. Ich machte eine Bewegung, um sie in den Arm zu nehmen, aber ihr flehentlicher gequälter Blick ließ mich innehalten. Ich zog mich umgehend zurück, denn jetzt würde ich alles für sie tun, jetzt, wo ich wusste, dass sie mich liebte. Alles. Doch etwas musste ich sie fragen.
    »Als ich dieses Buch im Kontor deines Vaters fand, mit den Aufzeichnungen über das Geld, das er für mich ausgegeben hat, und das Porträt, da sagtest du, ›Ich weiß es‹. Was hast du damit gemeint?«
    »Ich habe das Buch zuvor schon einmal gesehen.«
    Sie schwieg einen Moment und blickte zur Gruppe um ihre Mutter. Es war ein ungewöhnlich milder Wintertag, die Sonne brach stärker durch die Wolken. George war immer noch richtig in Fahrt, Mrs Benyon zeigte Mrs Black die vergoldete Verkleidung und die dicke Lederpolsterung ihrer Kutsche, während der Kutscher sich eine Pfeife anzündete und das Gesicht in die Sonne hielt.
    Es sei an jenem Herbsttag gewesen, erzählte sie mir, als wir als Kinder zusammen gespielt hatten und der Mann mit der Narbe gekommen war. Wir wurden hereingerufen. Während ich davonlief, nahm ihr Vater sie mit ins Kontor, wo er zusammen mit dem Mann die Rechnungsbücher durchging. Nie zuvor habe sie ihren Vater so streng und zugleich so eingeschüchtert erlebt.
    »Eingeschüchtert? Mr Black?«, sagte ich.
    »Genau wie ich.« Sie zitterte bei der Erinnerung an den Edelmann, der auf den Tisch geschlagen und geschrieen hatte: »Das genügt nicht, Black, das reicht nicht! Behaltet den Jungen scharf im Auge!«
    Der Mann hatte sich zu ihr heruntergebeugt, so dass die Narbe beinahe ihr Gesicht berührt hatte und sie den Wein in seinem Atem riechen konnte. »Du weißt doch, was Tom Neave ist, oder? Ein Pestkind!«
    Erst jetzt ließ Anne die Kräuter fallen, die sie gesammelt hatte, und stellte fest, dass ihre Hände von den Nesseln rote Flecken bekommen hatten.
    »Was hat er damit gemeint?«
    Ungestüm kratzte sie sich die Hände. »Ich weiß es nicht! Wirklich nicht!« Sie blickte erneut zu ihrer Mutter. »Sie befahlen mir, nicht in deine Nähe zu kommen. Sie glaubten, du seist schlecht.«
    »Das war George!«, sagte ich verächtlich. »Er ist ein Lügner und Heuchler.«
    »Das ist er nicht«, widersprach sie energisch. »Er hält das Geschäft am Laufen. Ich weiß nicht, was wir ohne ihn täten. Er arbeitet viel für Mr Benyon.«
    »Für Benyon?« Ich traute meinen Ohren kaum. »Er ist ein Royalist! Weiß dein Vater das?«
    »George zeigt ihm, was er druckt.«
    »Bist du sicher?«
    »Er hat ihm die Korrekturabzüge gegeben, aber ich kann sie nicht lesen. George weiß, dass jemand meinen Vater dafür bezahlt hat, dich aufzunehmen. Er sagt, er habe ihn gewarnt, dass du böse bist und dass seine Krankheit Gottes Strafe ist.«
    »Was für ein Unsinn!«
    »Er hat Vater erzählt, dass ich dich aus dem Keller gelassen habe. Ich dachte, Vater würde wahnsinnig! Dass er nicht sprechen kann, macht es nur noch schlimmer. Er schreibt … versucht zu schreiben.«
    Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und stolperte blind umher. Blut lief über ihre Handrücken, wo sie sich die Haut aufgekratzt hatte.
    »Anne, wo steckst du?«, rief Mrs Black.
    »Ich komme!«, erwiderte sie. »Mich hat etwas in die Hand gestochen.

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