Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
herauszubekommen.
»Das ergibt doch keinen Sinn!«, rief ich. »Warum sollte Lord Stonehouse mich erst in die Grube werfen lassen, nur um dann seine Meinung zu ändern und mir eine Ausbildung zu finanzieren?«
Eaton sprang auf. »Weil er hereingelegt worden war, gedemütigt von deiner Mutter. Ich kenne nur die Hälfte davon, die Gerüchte, das Gerede, denn als du geboren wurdest, war er überzeugt, dass du kein Stonehouse bist.«
»Bis er dich in Poplar sah, acht Jahre später«, sagte Turville ruhig. Er führte mich zu dem Gemälde, seine Hand liebkoste mich beinahe. »Er sah dein flammend rotes Haar, die Stonehouse-Nase, den römisch breiten Steg, die tiefdunklen Augen …«
»Er sieht nur, was er sehen will«, warf Eaton säuerlich ein. »Er hatte gerade einen seiner Wutanfälle und war kurz davor, Richard zu enterben. Wieder einmal! Er bezahlte Mr Black durch mich dafür, dass er dich ausbildet und erzieht.«
Ich starrte wieder das Gemälde an, tastete nach meiner Nase. »Aber … aber Lord Stonehouse kann doch sicher herausfinden, wer mein Vater ist?«
Eaton schenkte mir einen ungläubigen Blick. »Du meinst, er soll seine Söhne fragen? Sie haben es in jener Nacht abgestritten. Jeder, der seine Lordschaft kennt, hätte es geleugnet. Und jetzt? Noch schlimmer. Edward hat noch einmal geheiratet, nachdem seine erste Frau und sein Kind an der Pest gestorben waren, und hat eine neue Familie. Er will nicht, dass plötzlich irgendein Bastard auftaucht. Richard ebenso wenig … der fürchtet um sein Erbe.«
»Lord Stonehouse muss doch zumindest wissen, ob ich sein Kind bin!«, platzte ich heraus.
Eaton lachte. Er lachte frei heraus. Es war eines der wenigen Male, dass ich ihn so erlebte. Er lachte, bis er am ganzen Körper bebte und zu husten begann. »Wenn eine läufige Hündin ausbricht, kann ein Hund sie vielleicht decken, aber er wird niemals wissen, wie viele Hunde schon vor ihm zum Zuge gekommen sind.«
Ich spürte, wie meine Wangen zu brennen begannen, doch ich schluckte meine Gefühle herunter und bohrte meine Nägel in die Innenflächen meiner Hände.
In gespielter Empörung warf Turville die Hände in die Höhe. »Mr Eaton! Etwas mehr Feingefühl bitte!«
Eaton hörte auf zu lachen. Seine Stimme klang bitter. »Wenn er nicht weiß, dass Liebe kein Gedicht ist, wird er nicht besonders weit kommen. Und wir auch nicht.«
Erneut wandte er sich ab, um aus dem Fenster zu starren. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Eaton nicht Turvilles Garten sah, sondern die Felder und Wälder Highpoints an jenem dunklen, regnerischen Abend. Ich fragte mich gerade, was diese Bitterkeit hervorgerufen hatte und inwieweit sie mit der Nacht zusammenhing, in der ich geboren wurde, als Turville fortfuhr und dabei seine Worte mit Bedacht wählte.
Es gäbe Anzeichen, sagte er, dass Lord Stonehouse in mir mehr zu sehen begann als einen Akt der Barmherzigkeit. Jetzt, da Richard sich dem König angeschlossen hatte, hatte er Turville und Eaton befohlen, unbedingt herauszufinden, wer mein Vater war. Erneut betonte er, dass sie die strikte Anweisung hatten, mir nichts zu erzählen – aber dass sie eingesehen hätten, dass sie ohne meine Hilfe nicht weiterkämen. Turville verschränkte die Hände und starrte mich eindringlich an.
»Kurz bevor die Gesellschafterin deiner Mutter, Kate Beaumann, verschwand, erzählte sie der Haushälterin Mrs Morland, dass das Medaillon im Anhänger den Beweis enthält, wer dein Vater ist.«
Ich wurde ganz still. Eaton wandte sich schwungvoll vom Fenster ab, ohne sich mir zu nähern. Einen Moment lang war der Wind in den Bäumen draußen das einzige Geräusch.
»Wir wissen, dass Matthew es hat, denn mir ist zu Ohren gekommen, dass er einmal versucht hat, es zu verkaufen. Weißt du, wo er steckt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Komm schon, Tom«, sagte Turville freundlich. »Wir stehen auf derselben Seite, oder etwa nicht?« Als ich nichts sagte, tippte er auf eine Akte auf seinem Pult. »Wir haben Informationen darüber zusammengetragen, wo Matthew sich aufhalten könnte. Wirst du uns helfen, ihn zu finden?«
Unvermittelt spürte ich Aufregung und Hoffnung in mir aufsteigen, was ich nicht verbergen konnte. Ich gab mich keinen Illusionen über die beiden hin, aber so sehr sie mich brauchten, ich brauchte sie ebenfalls. Ich hatte Anne verloren, weil ich nicht wusste, wer ich war. Bestenfalls war ich ein Bastard, schlimmstenfalls Georges böser Geist. Aber wenn ich der Bastard
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