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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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gelegt.
    Er hat den Fisch nicht angerührt.
    »Wir haben ja Radar an Bord«, sagt er.
    »Die Hans Hedtoft hatte auch Radar.«
    Kein erfahrener Kapitän oder Expeditionsleiter erschreckt seine Mitreisenden bewußt. Wenn man mit dem Risiko einer Eisfahrt vertraut ist, weiß man, daß man es sich, wenn die Reise einmal begonnen hat, nicht leisten kann, die äußere Gefahr durch innere Furcht zu verstärken. Ich verstehe Lukas nicht.
    »Und dabei sind die Eisfjälls unser geringstes Problem. So stellt sich der Durchschnittsbürger die Polarmeere vor. Schlimmer ist das Großeis, ein Gürtel aus Packeis, der die Ostküste hinuntertreibt, im November das Kap Farvel umrundet und sich an Godthåb vorbei hinaufzieht.«
    Es gelingt mir, den Korken heil aus der zweiten Flasche herauszubekommen. Ich schenke Kützow ein. Er trinkt, während er zerstreut das Etikett betrachtet. Ihn interessiert der Alkoholgehalt.
    »Wo das Packeis aufhört, fängt das Westeis an. Es bildet sich in der Baffinbucht und wird durch die Davisstraße hinuntergepreßt, wo es mit dem Wintereis zusammenfriert. Das bildet ein Eisfeld, in das wir bei den Fischgründen nördlich von Holsteinsborg hineinkommen.«
    Das Reisen verstärkt alle menschlichen Gefühle. Wenn man von Qaanaaq zur Jagd oder zu Besuchen oder auch nach Qeqertat aufbrach, explodierten die latenten Verliebtheiten, Freundschaften, Animositäten. In der Luft zwischen Lukas und seinen beiden Passagieren und Arbeitgebern hängt ein massiver gegenseitiger Widerwille.
    Ich sehe Lukas an. Er hat nichts gesagt und nichts getan. Trotzdem verlangt er wortlos, daß man ihn ansieht. Wieder überfällt mich das vage, beunruhigende Gefühl, daß ich hier eine Vorstellung miterlebt habe, die teilweise um meinetwillen inszeniert worden ist und die ich nicht verstanden habe.
    »Wo ist Tørk?« fragt er.
    »Er arbeitet«, antwortet die Frau.
     
    Wer von Europa nach Thule fliegt, wird, wenn er aus der Maschine steigt, das Gefühl haben, in eine Tiefkühltruhe unter Überdruck geraten zu sein, weil sich eine unsichtbare Eiseskälte mit mehreren Atmosphären Druck in seine Lungen preßt. Fliegt man in die entgegengesetzte Richtung, hat man in Europa das Gefühl, in einer finnischen Sauna gelandet zu sein. Doch ein Schiff, das nach Grönland fährt, fährt nicht nach Norden, sondern nach Westen. Kap Farvel liegt auf dem Breitengrad von Oslo. Die Kälte kommt erst, wenn man es umfahren hat und direkt nach Norden steuert. Der Wind, der im Laufe des Tages aufgekommen ist, ist rauh und feucht, aber nicht kälter als ein Sturm im Kattegat. Die Seen dagegen sind die tiefen und langen Dünungen des Nordatlantik.
    Das Deck schwimmt vor Wasser. Die Luke zum vorderen Laderaum ist jetzt geschlossen. Ich schreite sie ab, sie mißt fünfeinhalb mal sechs Meter. Das sind nicht die ursprünglichen Maße. In Längsrichtung ist an beiden Seiten eine weiße, frischgestrichene, dreiviertel Meter breite Kante zu sehen. Und im Deck eine Schweißnaht. Die Öffnung ist erst vor kurzem an beiden Enden um knapp einen Meter erweitert worden.
    Für Europa symbolisiert das Meer das Unbekannte, zur See zu fahren bedeutet Reisen und Abenteuer. Dieser Gedanke steht in keinem Zusammenhang mit der Wirklichkeit. Zur See zu fahren ist eine Bewegung, die eher einem Stillstand gleicht. Das Erlebnis der Bewegung braucht Landkennung, feste Punkte am Horizont, Eisbuckel, die unter den Kufen verschwinden, den Anblick von Bergen hinter dem napariaq , dem stehenden Schlittenlenker, und Eisformationen, die emporwachsen, vorbeigleiten und am Horizont versinken.
    All das fehlt dem Meer. Ein Schiff scheint stillzustehen, scheint eine festgemachte Stahlplattform zu sein, die man über einem beweglichen, doch immer gleichbleibenden Abgrund aus Wasser angebracht hat und die ein fester Rundhorizont einrahmt, über den ein graues, kaltes Winterwetter hinwegzieht. Durchgerüttelt von der monotonen Anstrengung der Maschine, stampft es vergeblich auf der Stelle.
    Oder vielleicht bin ich inzwischen auch nur zu alt zum Reisen.
    Mit dem Nebel treibt die Depression über mich hin.
    Um reisen zu können, muß man ein Zuhause haben, das man verlassen und zu dem man zurückkehren kann. Sonst ist man ein Flüchtling, ein Fjällgänger, ein qivittoq . In Qaanaaq in Nordgrönland rücken sie jetzt gerade in den Bretter- und Wellblechbuden zusammen.
    Ich frage mich zum x-ten Mal, wie ich hier gelandet bin. Ich kann die Schuld daran nicht ganz allein tragen, die Last ist zu

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