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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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an.
    Jakkelsen schläft in einem zart pastellfarbenen Pyjama aus Thaiseide. Seine Haut ist wächsern. An seinem einen Mundwinkel hängen Spuckeblasen, die sich bei jedem schwachen, mühsamen Atemzug bewegen. Sein einer Arm ragt über die Bettkante hinaus. Das Handgelenk, das aus dem Pyjamaärmel hervorguckt, ist erschreckend mager. Er sieht aus wie ein krankes Kind – und ist es in gewissem Sinne wohl auch. Ich schüttele ihn. Seine Augenlider öffnen sich ein wenig. Die Augäpfel rollen nach oben, so daß mir das Weiße der Augen einen blinden, toten Blick zuwirft. Er gibt keinen Ton von sich.
    Der Aschenbecher am Bett ist leer. Auf dem Tisch liegt nichts. Alles ist aufgeräumt und ordentlich.
    Ich streife seinen Pyjamaärmel hoch. An der Innenseite, des Arms hat er zwischen vierzig und sechzig kleine, blaugelbe Punkte mit schwarzer Mitte, ein feines Muster, das den geschwollenen Venen folgt. Ich ziehe den Bettkasten heraus. Er hat es dort hineinfallen lassen. Silberpapier, Streichhölzer, eine altmodische Glasspritze, Zehnsekundenkleber, Kanüle, ein offenes Taschenmesser, Plastikkapseln zum Aufbewahren von Nähmaschinennadeln, einen durchgeschnittenen Verpackungsriemen aus schwarzem Gummi.
    Vorläufig denkt er nicht ans Aufwachen. Er schläft den vollkommen entspannten, sorglosen Pulverschlaf. Vor der Selbstverwaltung gab es in Grönland keine Zöllner. Polizei und Hafenmeister waren die ganze Zollbehörde. In dem Jahr, in dem ich an der meteorologischen Station von Upernavik war, lernte ich Jørgensen kennen.
    Er war der Hafenmeister. Aber er war selten auf Arbeit. Statt dessen hatten ihn die Amerikaner nach Thule geholt, oder er war an Bord eines Marineinspektionsschiffes. Er hielt den Grönlandrekord in Hubschraubertransporten.
    Man holte Jørgensen, wenn man etwas gefunden hatte, aber nicht genau wußte, wo es war. Wenn man einen Verdacht hatte, ihn aber nirgendwo festmachen konnte. Die Drogenpatrouille der Thuler Airbase hatte Hunde und Metalldetektoren und ein Team von Laboranten und Technikern. In Holsteinsborg hatte die Marine mehrere Ermittlungsexperten und in Nuuk ein transportables Röntgengerät von der Kopenhagener Schweißzentrale.
    Trotzdem holten sie alle Jørgensen. Er war Schweißermeister auf der Burmeister & Wain-Werft gewesen, hatte sich danach zum Steuermann weitergebildet und war schließlich Hafenmeister geworden, ein Hafenmeister, der sich nie im Hafen zeigte.
    Er war ein kleiner Mann, grau, krummgebeugt und drahthaarig wie ein Dackel. Er sprach ohne Rücksicht auf Rang und Namen mit Grönländern, Russen und allen Militärleuten dasselbe nuschelnde Einsilbendänisch. Sie holten ihn an Bord des aufgebrachten Schiffes oder des Flugzeugs, er murmelte ein bißchen mit der Besatzung und mit dem Kapitän, sah sich kurzsichtig um, klopfte ab und zu wie aus Zerstreutheit mit dem Knöchel gegen die Platten, dann holten sie einen Marineschlosser, der mit einem Winkelschleifer kam und die Platte entfernte, und dahinter fanden sie 5.000 Flaschen oder 400.000 Zigaretten und mit den Jahren auch immer häufiger gestapelte Blöcke aus weißem, mit Paraffin überzogenem Pulver.
    Jørgensen erzählte uns, daß Systematik bei den Ermittlungen nur wenig weiterführt. »Wenn ich meine Brille vergessen habe«, sagte er, »gehe ich erst ein bißchen systematisch vor. Ich suche auf dem Klo und neben der Kaffeemaschine und unter der Zeitung. Aber wenn sie da nicht ist, höre ich auf zu denken, setze mich in einen Sessel, lasse den Blick schweifen und sehe zu, ob mir nicht vielleicht eine Idee kommt, und das tut sie immer, es kommt immer eine Idee. Wir können schließlich nicht alles auseinandernehmen, egal, ob wir nach einer Brille oder nach Flaschen suchen, wir müssen nachdenken, und dann müssen wir es spüren, wir müssen den Verbrecher in uns finden und herausfinden, wo wir selber es hingesteckt hätten.«
    Im Februar 1981 wurde er bei einem Außenposten in der Diskobucht von vier jungen Grönländern erschossen, die auf seine Veranlassung hin ungerecht harte Strafen wegen Alkoholschmuggel verbüßt hatten. Mich mochte er aus irgendeinem Grund, aber die Grönländer insgesamt hat er nie zu verstehen versucht.
    Ich denke also an Jørgensen und versuche, den Junkie in mir zu finden. Ich würde mir für das Versteck Zeit nehmen. Ich würde nicht schlampen. Ich würde versucht sein, es außerhalb meiner Kajüte zu verstecken. Aber ich würde es nicht ertragen können, es nicht am Körper zu spüren. Wie die

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