Peter Pan
nehmen.
Peter tauchte sie unter, denn Hook war aufgesprungen und schrie: »Was war das?«
»Ich hab nichts gehört«, sagte Starkey und schwenkte die Laterne übers Wasser, und als die Piraten genau hinschauten, sahen sie etwas sehr Seltsames. Das Nest, von dem ich dir erzählt habe, trieb auf der Lagune, und der Niemalsvogel saß darin.
»Da«, sagte Hook zu Smee, »das ist eine Mutter. Welch ein Beispiel! Das Nest muß ins Wasser gefal en sein, aber läßt die Vogelmutter ihre Eier im Stich? Nein.«
Seine Stimme war weich geworden, als erinnerte er sich für einen Augenblick an die unschuldigen Tage seiner Kindheit – aber er verscheuchte diese Schwäche mit dem Haken.
Smee, höchst beeindruckt, starrte auf den Vogel, der im Nest vorüberschwamm, aber der mißtrauische Starkey meinte: »Wenn sie eine Mutter haben, vielleicht treibt sie sich hier herum, um Peter zu helfen.«
Hook zuckte zusammen. »Ay«, sagte er, »das ist die Angst, die mir im Nacken sitzt.«
Aber Smee verscheuchte Hooks Trübsal. »Käptn«, sagte er eifrig, »könnten wir nicht die Mutter dieser Jungen entführen und sie zu unserer Mutter machen?«
»Das ist ein göttlicher Einfall«, rief Hook, und sofort war der Plan in seinem großen Hirn durchdacht. »Wir schnappen uns die Kinder und bringen sie aufs Schiff.
Dann lassen wir die Jungen von der Planke springen, und Wendy ist unsere Mutter.«
Wieder konnte Wendy nicht an sich halten: »Niemals!«
rief sie – und war untergetaucht.
»Was war das?«
Aber sie konnten nichts sehen. Es mußte wohl ein Blatt im Wind gewesen sein. »Einverstanden, ihr Sa-tansbraten?« fragte Hook.
»Meine Hand drauf«, sagten beide.
»Und meinen Haken. Schwört!«
Geschworen! Inzwischen waren sie auf dem Felsen, und Hook erinnerte sich plötzlich an Tiger Lily.
»Wo ist die Rothaut?« fragte er barsch.
Er hatte manchmal einen köstlichen Humor, und die beiden Piraten dachten, jetzt sei so ein Augenblick.
»Schon gut, Käptn«, antwortete Smee gönnerhaft, »wir haben sie laufen lassen.«
»Laufen lassen?« schrie Hook.
»Du hast es selber befohlen«, stotterte der Bootsmann.
»Übers Wasser hast du uns zugerufen: ›Laßt sie frei!‹«
sagte Starkey.
»Schwefel und Galle«, donnerte Hook, »so ein Betrug!« Sein Gesicht wurde schwarz vor Wut, als er begriff, daß sie es ernst meinten, und er kriegte einen Schreck. »Jungs«, sagte er und zitterte dabei, »das habe ich nie befohlen.«
»Nun wird’s verrückt«, sagte Smee, und alle drei wurden ganz nervös. Hook erhob die Stimme, aber sie bebte.
»Geist, der du diese dunkle Lagune heimsuchst in der Nacht, kannst du mich hören?«
Natürlich hätte Peter den Mund halten sollen, aber natürlich tat er das nicht. Er antwortete gleich mit Hooks Stimme:
»Himmel, Blitz, Haifisch und Hölle, ich höre dich.«
In diesem äußerst spannenden Augenblick wurde Hook nicht bleich, nicht einmal um die Mundwinkel, aber Smee und Starkey klammerten sich entsetzt aneinander.
»Wer bist du, Fremder, sprich!« wollte Hook wissen.»Ich bin James Hook«, erwiderte die Stimme, »Käptn der ›Jolly Roger‹.«
»Bist du nicht, bist du nicht«, schrie Hook heiser.
»Schwefel und Galle«, rief die Stimme, »sag das noch einmal, und ich schlitz dir den Bauch mit dem Haken auf.«
Hook versuchte es auf die sanftere Tour. »Wenn du Hook bist«, sagte er beinah unterwürfig, »dann sag mir: Wer bin ich?«
»Ein Schellfisch«, erwiderte die Stimme, »nichts als ein Schellfisch.«
»Ein Schel fisch!« echote Hook verblüfft, und da, aber wirklich erst da, waren sein Mut und sein Stolz gebrochen.
Er sah, wie seine Leute sich von ihm abwandten.
»Hat uns die ganze Zeit ein Schellfisch herumkom-mandiert?« murmelten sie. »Das kränkt unsere Ehre.«
Sie waren wie Hunde, die nach ihm schnappten, doch er beachtete sie kaum. Er war zur tragischen Figur geworden, es stand schrecklich um ihn, aber nicht, weil sie nicht an ihn glaubten, sondern weil er selber langsam den Glauben an sich verlor. Er spürte, wie ihm sein Ich abhanden kam. »Verlaß mich nicht, alter Junge«, flüsterte er heiser.
In seiner dunklen Natur gab es, wie bei allen großen Piraten, einen weiblichen Zug, und deshalb hatte er manchmal »Intuitionen«. Plötzlich versuchte er es mit einem Ratespiel.
»Hook«, rief er, »hast du noch eine andere Stimme?«
Nun konnte Peter einem Spiel nie widerstehen, und er antwortete fröhlich mit seiner eigenen Stimme: »Jawohl!«
»Und noch einen
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