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Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James M. Barrie
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sich ihnen auf den Schwanz setzte, wenn sie frech wurden. Er schenkte Wendy einen Nixenkamm.
    Am unheimlichsten ist es, wenn man den Nixen beim Wechsel des Mondes begegnet. Dann stoßen sie merkwürdig klagende Schreie aus. Zu dieser Zeit ist die Lagune für Sterbliche gefährlich. Bis zu dem Abend, von dem wir nun erzählen müssen, hatte Wendy die Lagune noch nie bei Mondlicht gesehen – weniger aus Angst, denn natürlich hätte Peter sie begleitet, sondern weil sie streng darüber wachte, daß alle um sieben im Bett lagen. Sie ging oft zur Lagune, an Sonnentagen nach dem Regen, wenn besonders viele Nixen auftauchten und mit ihren Seifenblasen spielten. Natürlich waren die Blasen nicht aus Seifenlauge, sondern aus Regen-bogenwasser, in allen erdenklichen Farben, und damit spielten sie wie mit Bällen, schlugen sie fröhlich mit dem Schwanz hin und her, immer in der Bahn des Regenbogens – bis die Blasen platzten.
    Aber sobald die Kinder mitmachen wollten, verschwanden die Nixen. Trotzdem wissen wir, daß sie die Eindringlinge heimlich beobachteten, und sie waren sich nicht zu fein, ihnen etwas abzugucken, John erfand eine neue Art, die Seifenblasen abzuspielen, nämlich mit dem Kopf statt mit der Hand, und einige Nixen machten es bald ebenso. Das ist die einzige Spur, die John im Niemalsland hinterlassen hat.

    Nach dem Essen ruhten die Kinder eine halbe Stunde auf einem Felsen. Wendy bestand darauf, und sie mußten es selbst dann, wenn das Essen bloß eingebildet war.
    So lagen sie in der Sonne, und Wendy saß dabei und machte ein bedeutendes Gesicht.
    Eines schönen Tages waren sie alle auf dem Matrosenfelsen. Der Felsen war nicht viel größer als ihr großes Bett, aber natürlich wußten alle, wie man mit wenig Platz auskommt. Sie dösten oder lagen zumindest mit geschlossenen Augen, und manchmal zwickten sie sich gegenseitig, wenn sie glaubten, daß Wendy nicht hinschaute. Sie war sehr mit Nähen beschäftigt.
    Plötzlich veränderte sich die Lagune. Ein leichtes Zittern erfaßte sie, und die Sonne verschwand, Schatten schlichen über das Wasser, und es wurde kalt. Wendy konnte das Nadelöhr nicht mehr sehen, und als sie aufschaute, kam ihr die Lagune, die bisher immer so heiter und hell gewesen war, unfreundlich und schrecklich vor.
    Das lag, wie sie wußte, nicht daran, daß die Nacht gekommen war, sondern etwas, das so schwarz war wie die Nacht. Nein, schlimmer noch. Es war noch nicht gekommen, aber es hatte die See zum Zittern gebracht, um anzukündigen, daß es kommen würde. Was war das?

     

    All die Geschichten, die Wendy über den Matrosenfelsen gehört hatte, schossen ihr durch den Kopf. Er heißt Matrosenfelsen, weil böse Kapitäne auf diesem Felsen Matrosen aussetzen, damit sie ertrinken. Sie müssen ertrinken, wenn die Flut steigt, denn dann ist auch der Felsen überflutet.
    Natürlich hätte sie die Kinder sofort wecken sollen.
    Nicht bloß wegen des Unbekannten, das sich ihnen da näherte, sondern auch weil es nicht gut für die Jungen war, auf einem feuchten Felsen zu schlafen. Aber sie war noch eine junge Mutter und wußte das nicht. Sie glaubte, daß man sich einfach an die Vorschriften halten muß: eine halbe Stunde nach dem Mittagessen. Obwohl sie Angst hatte und gern die Stimmen der Jungen gehört hätte, wollte sie also niemanden wecken. Sie blieb bei ihnen und ließ sie ausschlafen. War das nicht mutig von Wendy?
    Zum Glück war einer unter ihnen, der selbst im Schlaf Gefahren wittert. Peter sprang in die Höhe, wach wie ein Spürhund, und mit einem einzigen Warnruf weckte er die anderen.
    Er stand reglos, eine Hand am Ohr.
    »Piraten!« rief er. Die anderen kamen näher. Ein merkwürdiges Lächeln lag auf seinem Gesicht. Wendy sah es und schauderte. Solange dieses Lächeln auf seinem Gesicht war, wagte niemand, ihn anzusprechen.
    Sie konnten nur abwarten und gehorchen.
    Der Befehl kam scharf und schneidend: »Tauchen!«
    Man sah gerade noch ein paar Füße, und mit einem Mal war die Lagune verlassen. Der Matrosenfelsen stand einsam in den drohenden Gewässern, als wäre er selbst ein ausgesetzter Matrose.
    Das Boot kam näher. Es war das Beiboot der Piraten, in dem drei Gestalten saßen: Smee und Starkey, und die dritte war eine Gefangene, niemand anderes als Tiger Lily, an Händen und Füßen gefesselt. Sie wußte, welchem Schicksal sie entgegenfuhr. Sie sol te zu ihrem Verderben auf dem Felsen zurückgelassen werden, ein Ende, das für eine Squaw fürchterlicher war als der Tod

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