Peter Pan
Medizin!«
»Es war nur ein Witz«, brüllte er, während Mrs. Darling ihre Jungen tröstete und Wendy Nana umarmte.
»Sehr gut«, sagte er bitter, »das hat man davon, wenn man sich bemüht, in diesem Haus ein bißchen lustig zu sein.«
Wendy hielt Nana immer noch im Arm. »Richtig«, rief Mr. Darling, »knuddel sie! Mich knuddelt keiner. O nein, o nein! Ich bin bloß der Geldverdiener, warum sol te ich geknuddelt werden, warum, warum, warum!«
»George«, flehte Mrs. Darling, »nicht so laut, das Personal kann dich hören.« Irgendwie hatten sie sich angewöhnt, Liza »das Personal« zu nennen.
»Macht nichts«, rief er trotzig, »die ganze Welt soll mich hören. Ich dulde nicht länger, daß dieser Hund mein Kinderzimmer tyrannisiert, nicht eine Stunde länger!«
Die Kinder weinten, und Nana lief zu ihm und machte »bitte, bitte«, aber er wies sie zurück. Er fühlte, daß er jetzt wieder der starke Mann war. »Umsonst, umsonst«, rief er, »du gehörst in den Hof, und da wird man dich augenblicklich an die Kette legen.«
»George, George«, flüsterte Mrs. Darling, »bedenk doch, was ich dir von dem Jungen erzählt habe.«
Aber nein, Mr. Darling wollte nicht hören. Er war entschlossen zu beweisen, wer der Herr im Hause war.
Er packte Nana und schleifte sie aus dem Kinderzimmer.
Er schämte sich, aber er tat es doch. Das alles lag nur an seinem zarten Charakter, der auf Bewunderung so sehr angewiesen war. Als er sie hinten im Hof angekettet hatte, setzte sich der unglückliche Vater in den Flur und schlug die Hände vors Gesicht.
Inzwischen hatte Mrs. Darling die Kinder zu Bett gebracht, in ungewohnter Stille, und hatte ihre Nachtlichter angezündet. Sie konnten Nana bellen hören, und John jammerte: »Sie bellt, weil er sie an die Kette gelegt hat.«
Aber Wendy wußte es besser. »So bel t sie nicht, wenn sie unglücklich ist«, sagte sie, ohne wirklich zu ahnen, was in dieser Nacht geschehen würde, »so bel t sie, wenn sie eine Gefahr wittert.«
Gefahr!
»Bist du sicher, Wendy?«
»O ja.«
Mrs. Darling ging zitternd zum Fenster. Es war fest verschlossen. Sie schaute hinaus. Der Himmel war mit Sternen übersät. Sie drängten sich ums Haus, als wären sie neugierig, was da passieren würde. Aber das merkte Mrs. Darling nicht und auch nicht, daß ein oder zwei von den kleineren Sternen ihr zublinzelten. Und doch, eine unbestimmte Furcht ergriff ihr Herz, und sie rief: »Ach, wenn ich doch heute abend nicht ausgehen müßte!«
Selbst Michael, der schon halb schlief, spürte, daß sie unruhig war, und er fragte: »Kann uns denn irgend etwas zustoßen, Mama, jetzt, wo die Nachtlichter brennen?«
»Nein, mein Schatz«, sagte sie, »das sind die Augen, die eine Mutter daheim läßt, wenn sie fortgeht, damit sie ihre Kinder behüten.«
Sie ging von Bett zu Bett und sang jedem ein Schlaflied vor, und der kleine Michael schlang seine Arme um sie.
»Mama«, rief er, »ich mag dich so.«
Das waren die letzten Worte, die sie für lange Zeit von ihm hören sollte.
Die Nummer 27 war nur ein paar Schritte entfernt, aber es war ein bißchen Schnee gefallen, und Vater und Mutter Darling gingen rasch darüber hinweg, damit ihre Schuhe nicht schmutzig würden. Sie waren jetzt die einzigen Leute auf der Straße, und alle Sterne schauten auf sie herab. Sterne sind schön, aber sie können niemals selber etwas tun, sie müssen immer nur zuschauen.
Das ist die Strafe für etwas, das sie vor so langer Zeit angestellt haben, daß heute kein Stern mehr weiß, was es eigentlich war. Darum haben die älteren unter ihnen glasige Augen bekommen und sprechen selten (Blinzeln ist die Sprache der Sterne), aber die kleinen sind noch neugierig. Sie sind nicht richtig Peters Freunde, weil er so frech ist und plötzlich hinter ihnen auftaucht und versucht, sie auszublasen. Aber sie sind so vergnügungs-süchtig, daß sie heute nacht auf Peters Seite sind und sehr darauf bedacht, daß die Erwachsenen verschwinden.
Sobald sich die Tür von Nummer 27 hinter Mr. und Mrs. Darling geschlossen hatte, gab es also eine große Aufregung am Firmament, und der kleinste aller Sterne in der Milchstraße rief: »Peter! Jetzt!«
Kommt mit! Kommt mit!
EINE Weile nachdem Mr. und Mrs. Darling das Haus verlassen hatten, brannten die Nachtlichter an den Betten der Kinder noch hel und klar. Es waren furchtbar nette Nachtlichter, und man hätte nur wünschen können, daß sie wach geblieben wären, bis Peter kam. Aber Wendys Licht flackerte
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