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Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James M. Barrie
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er.
    »Du bist furchtbar ungebildet.«
    »Nein, bin ich nicht.«
    Sie freute sich regelrecht an seiner Unwissenheit. »Ich nähe ihn an, kleiner Mann«, sagte sie, obwohl er auch nicht kleiner war als sie.
    Und dann holte sie den Nähkasten und nähte den Schatten an Peters Fuß.
    »Wahrscheinlich tut es ein bißchen weh«, sagte sie.
    »Ach, ich weine nicht«, sagte Peter, der schon wieder glaubte, er habe noch nie in seinem Leben geweint. Er biß die Zähne zusammen und weinte nicht, und bald war der Schatten wieder da, wo er hingehörte. Er war bloß ein bißchen zerknittert.

    »Vielleicht hätte ich ihn bügeln sollen«, sagte Wendy nachdenklich. Aber Peter kümmerte sich nicht um sein Äußeres, er sprang schon wieder fröhlich im Zimmer herum. Ach, er hatte auch schon vergessen, daß er sein Glück Wendy verdankte. Er glaubte tatsächlich, er hät-te den Schatten selbst angenäht. »Wie schlau ich bin«, krähte er, »wie schlau, wie schlau!«

    Es ist schon schlimm, daß man das sagen muß, aber daß Peter so frech und eingebildet war, gehörte zu seinen auffälligsten Eigenschaften. Ohne Wenn und Aber: Er war der hochnäsigste von allen.
    Im Augenblick war Wendy jedenfal s schockiert. »Bist du eingebildet!« rief sie sarkastisch. »Ich habe wohl gar nichts gemacht!«
    »Ein bißchen schon«, sagte Peter ungerührt – und tanzte weiter.
    »Ein bißchen!« wiederholte sie beleidigt. »Wenn ich zu nichts nütze bin, dann brauchst du mich ja nicht!«
    Würdevoll stieg sie ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    Damit sie wieder guckte, tat er so, als ginge er fort, und als das nichts half, setzte er sich auf die Bettkante und stupste sie an. »Wendy«, sagte er, »sei nicht so. Ich muß krähen, wenn es mir gutgeht.« Sie guckte immer noch nicht, obwohl sie ganz genau zuhörte. »Wendy«, fuhr er fort, mit einer Stimme, der noch keine Frau hat widerstehen können, »Wendy, ein Mädchen ist mehr wert als zwanzig Jungen.«
    Nun war Wendy ganz Frau (jeder Zoll eine Frau, wenngleich bei ihr noch nicht viel Zoll zusammenkamen), und sie schielte unter der Decke hervor.
    »Ist das dein Ernst, Peter?«
    »O ja, bestimmt.«
    »Das finde ich aber nett, dann steh ich wieder auf.«
    Und sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante. Außerdem sagte sie, daß sie ihm einen Kuß geben würde, wenn er wollte, aber Peter wußte nicht, was sie meinte, und hielt erwartungsvoll die Hand auf.
    »Aber du weißt doch, was ein Kuß ist?« fragte sie verdutzt.
    »Das weiß ich, wenn du mir einen gibst«, sagte er steif, und weil sie ihn nicht kränken wollte, gab sie ihm einen – Fingerhut.
    »Soll ich dir jetzt einen Kuß geben?« fragte er, und etwas geziert sagte sie: »Wenn du magst.« Etwas herab-lassend hielt sie ihm das Gesicht hin, aber er ließ nur eine Eichel in ihre Hand fallen. Also zog sie langsam den Kopf wieder zurück und sagte verbindlich, sie würde seinen Kuß an einer Kette um den Hals tragen.
    Ein Glück, daß sie es wirklich tat, denn die Kette sollte ihr später das Leben retten.
    Wenn Leute sich kennenlernen, ist es üblich, daß sie sich nach dem Alter fragen, und darum fragte Wendy Peter, wie alt er sei. Sie hätte etwas anderes fragen sollen. Wie in der Schule: Du bist auf »Könige von England« vorbereitet, und dann kommen Fragen aus der Grammatik.
    »Ich weiß nicht«, antwortete er, »aber ich bin ziemlich jung.« Er hatte nicht die leiseste Ahnung, bloß Vermutun-gen, aber er sagte auf gut Glück: »Wendy, ich bin weggelaufen, gleich an dem Tag, als ich geboren wurde.«
    Wendy war ganz überrascht, aber das interessierte sie, und sie deutete ihm an, daß er etwas näher rücken sollte.
    »Es ist bloß«, erklärte er leise, »weil Vater und Mutter so geredet haben, was ich werden soll, wenn ich groß bin.« Jetzt war er furchtbar aufgeregt. »Ich will aber nicht groß werden«, sagte er heftig. »Ich will immer ein kleiner Junge sein und meinen Spaß haben. Darum bin ich weggelaufen nach Kensington Gardens und hab lange Zeit bei den Feen gewohnt.«
    Sie schaute ihn bewundernd an, und er dachte, es wäre, weil er weggelaufen war, aber in Wirklichkeit bewunderte sie ihn wegen der Feen. Wendy war so sehr an ihr alltägliches Leben gewöhnt, daß die Vorstellung, jemand könnte Feen kennen, ihr ganz wunderbar erschien. Sie überschüttete ihn mit Fragen, was ihn überraschte, denn Feen waren ziemlich lästig, immer im Weg und so, und manchmal mußte er sich richtig vor ihnen verstecken. Trotzdem

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