Peterchens Mondfahrt
gespielt;
Hab' der Morgenröte das Land geschmückt,
Und alle Wesen im Traum erquickt.
Küss mich nun, Mutter, mein Werk ward schön,
Und
lass mich in deine Augen sehn.«
Damit eilte sie in die Arme der Nachtfee, die ihr mit einem
leisen, zärtlichen
Kuss den Scheitel berührte. Dann setzte sich das Taumariechen
auf die Stufen
des Thrones, das liebliche Köpfchen ans Knie der Mutter
geschmiegt.
Bis zu diesem Augenblick war in dem großen Saal ein
Dämmerlicht gewesen, in
dem die silbernen Säulen gleich Mondstrahlen zwischen den
blauen Wolken
schimmerten; nur bei der Ankunft der Blitzhexe, des Regenfritzen und
der Frau
Holle hatte sich dies milde Traumlicht, das vom Haupt der Nachtfee
auszugehen
schien, für Augenblicke ein wenig geändert. Jetzt
plötzlich flog goldener
Schein in diese Dämmerung, und durch die weite Nacht her kam
eine rauschende,
ferne, wundermächtige Musik. Die Nachtfee erhob sich auf ihrem
Thron; die Sonne
nahte, die Königin des Tages, die ihr gleich war an Rang und
Ansehen. Alle Gäste
erhoben sich mit ihr von den Sitzen, denn, obschon sie die Sonne zum
Teil nicht
leiden konnten, mussten sie ihr doch, als einer Königin, die
schuldige
Ehrfurcht bezeigen. Da schwoll die Musik heran, wie ein wachsender
Sturm. Die
Wolken teilten sich, und - in einem Strom von goldenem Licht schwebte
die Sonne
herein mit ihren Töchtern und Söhnen, der
Morgenröte und Abendröte, dem
Morgenstern und dem Abendstern. Wunderschön war die Sonne!
Ihre Augen strahlten
machtvoll und lieb zugleich. Als ein Mantel von Flammen lag ihr
Lockenhaar um
sie, und in funkelnden Garben brachen die Lichtstrahlen aus der Krone
auf ihrem
Haupt. An jeder Hand führte sie einen ihrer Söhne,
die Schleppe ihres goldenen
Kleides aber trugen ihre lieblichen Töchter. So stand die
Sonne der Nachtfee
gegenüber, und der Saal war voll von ihrem Licht. Langsam kam
die Nachtfee von
ihrem Thron herab der Sonne entgegen. Auf ihrem schwarzen Haar
schimmerte die
blasse Mondkrone. Sie breitete ihre Arme weit aus und
grüßte die Sonne mit
ihrer glockenschönen Stimme: »Willkommen mir, Schwester,
Königin!«
Da neigte die Sonne ihr Haupt leise vor der Majestät
der Nacht; dann hob sie
es leuchtend und sprach:
»Der Gruß
meiner Liebe sei dir gebracht,
Du schöne Schwester, du stille Nacht!
Sind unsre
Reiche auch ewig geschieden;
Mein ist die Arbeit, dein ist der Frieden;
Schlingen wir doch um die Guten und Bösen
Den einen Reigen
und segnen die Wesen,
Die auf der wundertiefen Welt
Liebe in prunkendes Leben gestellt.«
Und dann umarmten sich die beiden Königinnen. Als die
Nachtfee die Sonne
umschlang, ging alle Glut unter in blauen Nebeln, und tiefe
Dämmerung sank in
den Raum; und als die Sonne ihre Arme um die Schultern der Nachtfee
legte,
leuchteten alle Dinge umher, in ein Meer von Licht gebadet. Als diese
Begrüßung
vorüber war, nahmen beide Herrscherinnen auf ihren Sitzen
Platz, und auch die
anderen Gäste setzten sich wieder. Dabei war es sehr komisch,
wie der Eismax
hinter den Rock der Wolkenfrau kroch und wie Frau Holle hinter dem
Schirm des
Regenfritzen hervorschielte.
Jetzt kam aber plötzlich eine sehr sonderbare Gestalt
hereingetölpelt:
der Milchstraßenmann. Er war anscheinend in
großer Wut und gar nicht
festlich angezogen, wie sich das gehört hätte. Die
Mütze saß ihm schief auf
dem Kopfe, seine dicken Mondlederstiefel waren schmutzig, und einen
ungekämmten
Schnurrbart hatte er auch. Unter dem Arm trug er die große
Zwillingsmilchflasche, und an einem Bändchen hinter ihm
zottelte der kleine Bär,
den er eigentlich hätte draußen lassen
müssen, weil der immer schmutzige
Pfoten hatte. Der kleine Bär hütete nämlich
die Mondkälber und biss sie in
die Beine, wenn sie auf einer falschen Himmelswiese grasen wollten.
Jetzt hatte
er allerdings einen Maulkorb um. Die Nachtfee machte ein sehr
erstauntes Gesicht
über den Milchstraßenmann und wollte ihm etwas
darüber sagen, dass er nicht
in solchem Aufzuge kommen dürfe; aber der ließ sie
gar nicht zu Worte kommen,
so aufgeregt war er, und polterte sofort los:
»Frau
Nachtfee, ich muss mich bitter beklagen!
Die Gesellschaft, die du geladen hast,
Ist mir derart über die Milchstraße gerast,
Dass sie mir das Pflaster beschädigt haben
Und die Meilensteine, die Bäume, den Graben!
Das ist ein Benehmen, unerhört!«
Natürlich taten die Gäste, als
wüssten sie von gar nichts,
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