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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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machten ihn erröten und er ging heim, ohne erfahren zu haben, ob der Polizeiinspektor in der Sache etwas zu unternehmen gedenke.
    An diesem Tage ging er nicht ins Amt, was ihm zum erstenmal im Leben passierte. Am nächsten Tag ging er aber doch hin, und zwar wieder in seinem alten Morgenrock, der noch trauriger aussah, als je. Einzelne Beamte rissen selbst bei dieser traurigen Geschichte ihre Witze; die meisten waren aber so gerührt, daß sie sogar eine Kollekte für einen neuen Mantel veranstalteten. Da die Beamtenschaft kurze Zeit vorher durch zwei andere Kollekten – für ein Bildnis des Direktors und für die Subskription auf ein Werk, das ein Freund des Direktors verfaßt hatte, ausgeplündert worden war, ergab diese Kollekte ein überaus trauriges Resultat. Ein Kollege gab aber Akakij Akakijewitsch den Rat, er möchte sich doch nicht an den Revieraufseher wenden: dieser würde das Gestohlene vielleicht wieder finden, um den Vorgesetzten seine Tüchtigkeit zu beweisen, doch werde der Mantel in den Händen der Polizei bleiben, es habe ja keiner einen gesetzlichen Beweis, daß der Mantel ihm gehöre. Er möchte sich doch an »einen gewissen Würdenträger« wenden, der bei seinen guten Beziehungen die Sache erfolgreicher durchführen könne.
    Akakij Akakijewitsch entschloß sich also, jenen »Würdenträger« aufzusuchen. Welches Amt diese Person bekleidete, ist auch heute noch nicht aufgeklärt. Es muß bemerkt werden, daß der »Würdenträger« seine Würde erst seit kurzem erhalten hatte; vorher hatte er gar keine. Das Amt, das diese Persönlichkeit bekleidete, war übrigens gar nicht so hervorragend, denn es gibt noch viel höhere Ämter. Manche Leute sind aber stets geneigt, auch das minder Bedeutende für sehr bedeutend zu halten. Der betreffende Beamte gab sich auch die größte Mühe, den Anschein einer sehr bedeutenden Persönlichkeit zu erwecken; so hatte er verfügt, daß ihn die Untergebenen jeden Morgen unten an der Treppe erwarteten, und daß niemand ohne Anmeldung vorgelassen werde. Überall mußte die strengste Ordnung herrschen: der Kollegien-Registrator hatte jedes Gesuch dem Gouvernementssekretär vorzulegen, dieser meldete es dem Titularrat und so kam die Sache schließlich auch in seine Hand. Es ist schon einmal so in unserem heiligen Rußland, daß jeder Beamte bestrebt ist, es seinen Vorgesetzten gleich zu tun. So hat einmal ein Titularrat, der zum Vorstand einer kleinen Kanzlei ernannt wurde, in seinem Amtslokal ein eigenes kleines Kämmerchen als »Sitzungssaal« eingerichtet; an der Tür dieses Zimmers standen zwei gallonierte Diener mit roten Aufschlägen, die wie Logenschließer aussahen und jeden Besucher zu melden hatten, obwohl der »Sitzungssaal« so klein war, daß in ihm ein gewöhnlicher Schreibtisch kaum Platz hatte.
    Der »Würdenträger« waltete seines Amtes mit großer Würde und Wichtigkeit. Das System beruhte in erster Linie auf Strenge. »Strenge, Strenge und – Strenge,« so pflegte er seinen Untergebenen immer einzuschärfen; dies war aber ganz überflüssig, denn die wenigen Beamten, die er unter sich hatte, waren auch so genügend eingeschüchtert. Wenn er durch die Kanzlei ging, ließen alle die Arbeit ruhen und sprangen ehrerbietig auf. Im Verkehr mit den Untergebenen gebrauchte er eigentlich nur folgende drei Redewendungen: »Wie unterstehen Sie sich? Wissen Sie auch, mit wem Sie sprechen? Denken Sie daran, vor wem Sie stehen?« Im Grunde genommen war er sehr gutmütig, freundlich und liebenswürdig, der Geheimratstitel hatte ihm aber ganz den Kopf verdreht. Wenn er mit Gleichgestellten verkehrte, gab er sich sehr einfach und natürlich und machte den Eindruck eines anständigen und gescheiten Menschen. Kaum sah er aber einen Menschen vor sich, der im Dienstrange etwas unter ihm stand, so wurde er schweigsam und verschlossen und machte einen recht jämmerlichen Eindruck. Er hatte oft Lust, an einem interessanten Gespräch teilzunehmen, aber gleich kam ihm der Gedanke: wird es meine Würde nicht beeinträchtigen, wenn ich mich so familiär und herablassend zeige? Und so schwieg er meistens und galt daher für sehr langweilig.
    Zu diesem »Würdenträger« kam nun Akakij Akakijewitsch mit seinem Anliegen, und zwar in einem Augenblick, der für ihn höchst ungünstig war; dem Würdenträger kam der Besuch aber sehr gelegen. Er unterhielt sich gerade mit einem zugereisten Jugendfreund, den er seit Jahren nicht gesehen hatte, als ihm der Besuch eines gewissen

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