Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Herrn ziemt, mit den Ärmeln anprobieren; auch die Ärmel saßen vorzüglich. Mit einem Worte: der Mantel paßte wunderbar. Petrowitsch ließ sich nicht die Gelegenheit zu der Bemerkung entgehen, er habe den billigen Preis nur darum gemacht, weil er ohne Firmenschild in einer Nebengasse wohne und weil er Akakij Akakijewitsch so gut kenne; auf dem Newskij-Prospekt hätte die Arbeit allein mindestens fünfundsiebzig Rubel gekostet.
Akakij Akakijewitsch wollte aber jede Diskussion über diesen Gegenstand vermeiden, auch machten ihm die hohen Ziffern, mit denen Petrowitsch nur so herumwarf, ordentlich angst. Er bezahlte, dankte und ging sofort, mit dem neuen Mantel angetan, ins Amt. Petrowitsch begleitete ihn hinunter und blieb dann auf der Straße stehen, um den Mantel aus einiger Entfernung zu betrachten, dann rannte er durch ein Seitengäßchen vor, so daß er Akakij Akakijewitsch überholte, um den Mantel wieder von einer anderen Seite in Augenschein zu nehmen.
Akakij Akakijewitsch ging seinen Weg zum Amt in der rosigsten Laune. Bei jedem Schritt fühlte er den neuen Mantel auf seinen Schultern sitzen und lächelte still in sich hinein. Zwei Vorteile sprangen ihm besonders in die Augen: erstens war der Mantel warm, zweitens war er schön.
Mit diesem Gedanken beschäftigt kam er in die Kanzlei, legte den Mantel im Vorzimmer ab, betrachtete ihn noch einmal von allen Seiten und übergab ihn endlich dem Portier mit der Weisung, auf ihn ganz besonders acht zu geben. Die Nachricht, daß Akakij Akakijewitsch einen neuen Mantel habe, und daß der Morgenrock nicht mehr existiere, verbreitete sich unter den Beamten wie ein Lauffeuer. Alle begaben sich ins Portierzimmer, um den Mantel zu begutachten. Akakij Akakijewitsch mußte von allen Seiten Gratulationen entgegennehmen; anfangs strahlte er dabei, wurde aber dann verlegen. Man bestürmte ihn, er müsse doch unbedingt die Neuanschaffung, wie es sich gehört, einweihen und ein Fest veranstalten; da wurde er ganz verlegen und wußte nicht, wie er dem entrinnen sollte. Er war ganz rot und machte den Versuch, den Kollegen einzureden, der Mantel sei gar nicht neu, es sei vielmehr der alte Mantel.
Einer der Vorgesetzten, der offenbar zeigen wollte, daß er es nicht verschmähe, mit seinen Untergebenen zu verkehren, nahm sich seiner an und sagte:
»Ich will statt Akakij Akakijewitsch ein kleines Fest veranstalten und lade Sie hiermit für heute abend zum Tee ein; außerdem ist heute zufällig mein Namenstag.«
Die Beamten gratulierten nun auch dem Vorgesetzten und nahmen die Einladung mit Dank an. Akakij Akakijewitsch wollte anfangs ablehnen, als man ihm aber bewies, daß es sich nicht schicke, willigte er ein. Der Gedanke, daß er nun die Gelegenheit haben werde, auch abends den neuen Mantel zu tragen, machte ihm sogar große Freude. Dieser ganze Tag war für ihn ein Festtag. Auch nach Hause zurückgekehrt, bewahrte er die gleiche rosige Stimmung. Er hängte den Mantel sorgfältig auf einen Wandhaken, betrachtete noch einmal das schöne Tuch und das Futter und nahm dann noch seinen alten, gänzlich unbrauchbaren Mantel vor, um Vergleiche anzustellen. Der Unterschied war wirklich so groß, daß er lachen mußte. Und auch während seiner Mahlzeit lächelte er beim Gedanken an den desperaten Zustand seines alten Morgenrocks. Er aß mit gutem Appetit. Nach beendeter Mahlzeit ließ er für diesmal seine gewohnte Abschreibearbeit ruhen und rekelte sich selig auf seinem Bett, bis der Abend anbrach. Dann kleidete er sich rasch um, zog seinen Mantel an und machte sich auf den Weg.
Wo der Vorgesetzte wohnte, der die Beamten zu sich eingeladen hatte, kann ich leider nicht angeben. Mein Gedächtnis hat sich etwas getrübt, und alle Straßen und Gassen Petersburgs sind in meinem Kopf durcheinandergeraten. Eines steht fest: der Beamte wohnte in einem besseren Stadtteil, folglich in ziemlich großer Entfernung von der Wohnung des Akakij Akakijewitsch. Er ging anfangs durch ganz leere und spärlich beleuchtete Straßen; je mehr er sich aber dem Ziele näherte, um so belebter und vornehmer wurde die Gegend. Es begegneten ihm immer mehr Passanten, darunter auch solche mit teuren Biberkragen auf ihren Mänteln, auch viele elegante Damen sah er auf seinem Weg; die einfachen messingbeschlagenen Vorstadtschlitten wurden immer seltener, dagegen tauchten viele elegant lackierte Schlitten mit Bärenfelldecken auf, die von Kutschern mit roten Samtmützen gelenkt wurden. Alles kam unserm Akakij
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