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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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weit und breit war kein Mensch zu sehen. Man sah nur noch glitzernden Schnee und die kleinen Häuschen, in denen alles schlief. Er näherte sich der Stelle, wo die lange Straße auf einen ungeheuer weiten Platz mündete. Der Platz war so weit, daß man die Häuser auf der anderen Seite kaum sehen konnte.
    Irgendwo in der Ferne flackerte die Laterne eines Schilderhäuschens, das am Ende der Welt zu stehen schien. Die Stimmung Akakij Akakijewitschs schlug etwas um. Eine seltsame Angst bemächtigte sich seiner, als er diesen weiten Platz betrat, und sein Herz empfand etwas wie drohendes Unheil. Er blickte nach allen Seiten und fühlte sich plötzlich wie auf dem Meere. Er beschloß, lieber gar nicht hinzuschauen und ging mit geschlossenen Augen weiter. Als er sie öffnete, um festzustellen, wie weit es noch bis zum Ende des Platzes sei, erblickte er vor seiner Nase mehrere Männer mit langen Schnurrbärten. Es wurde ihm dunkel vor den Augen, und sein Herz begann zu zittern.
    »Der Mantel gehört mir!« schrie ihn einer der Unbekannten an, ihn am Kragen packend.
    Akakij Akakijewitsch wollte um Hilfe schreien, ein Mann hielt ihm aber seine Faust in der Größe eines Beamtenkopfes vor die Nase und sagte:
    »Versuch nur zu schreien!«
    Akakij Akakijewitsch fühlte noch, wie ihm der Mantel vom Leibe gerissen wurde und wie man ihm einen tüchtigen Fußtritt versetzte. Dann taumelte er, fiel in den Schnee und verlor das Bewußtsein. Als er nach einigen Minuten zu sich kam, war er wieder allein. Es war kalt, und der Mantel war fort. Er begann zu schreien; seine Stimme konnte aber nicht bis ans Ende des Platzes dringen. Er lief verzweifelt und schreiend auf das Schilderhäuschen zu. Der Wachsoldat erwartete ihn, auf seine Hellebarde gestützt, voller Neugier; es interessierte ihn, warum dieser Mensch so rannte und schrie. Akakij Akakijewitsch fragte ihn mit keuchender Stimme, warum er auf seinem Posten schlafe und gemütlich zuschaue, wie ein Mensch ausgeraubt werde.
    Der Wachsoldat erklärte, nichts gesehen zu haben; er habe wohl gesehen, wie Akakij Akakijewitsch mitten auf dem Platze von zwei Männern gestellt worden sei, doch glaubte er, es seien seine Freunde gewesen; was aber den Mantel beträfe, so möchte er, statt zu schreien, sich lieber morgen zum Revieraufseher bemühen, dieser werde den Mantel und die Diebe schon ausfindig machen.
    Akakij Akakijewitsch erreichte endlich seine Wohnung in einem schrecklichen Zustand: die wenigen Haare, die er noch an den Schläfen und im Nacken hatte, waren zerzaust, und seine ganze Kleidung war mit Schnee bedeckt. Die alte Wirtin eilte auf sein heftiges Pochen zur Türe, mit nur einem Schuh bekleidet und das Hemd vorne verschämt mit der Hand zusammenhaltend. Sie sah Akakij Akakijewitschs Zustand und taumelte erschrocken zurück. Als er ihr den Sachverhalt erklärt hatte, schlug sie die Hände zusammen und meinte, er müsse sich an den Polizeiinspektor wenden; der Revieraufseher würde ihn nur mit leeren Versprechungen abspeisen; mit dem Polizeiinspektor sei sie dagegen bekannt, denn ihre frühere Köchin, die Finnin Anna, sei jetzt bei ihm als Kindermädchen angestellt; sie sähe ihn fast täglich auf der Straße und jeden Sonntag in der Kirche – er sei also offenbar ein guter und ordentlicher Mensch. Akakij Akakijewitsch ging traurig zu Bett, und jedermann, der sich in eine fremde Lage versetzen kann, wird wohl begreifen, wie er diese Nacht zubrachte.
    Am nächsten Morgen ging er ganz früh zum Polizeiinspektor; man sagte ihm, dieser schlafe noch. Er kam um zehn wieder – der Polizeiinspektor schlief noch immer. Als er um elf kam – war der Inspektor ausgegangen. Schließlich kam er um die Mittagszeit; die Schreiber wollten ihn nicht vorlassen und verlangten zu wissen, in welcher Angelegenheit er käme. Akakij Akakijewitsch zeigte nun zum erstenmal in seinem Leben, daß auch er energisch sein konnte, und erklärte, er müsse den Polizeiinspektor unbedingt persönlich sprechen; es handle sich um eine wichtige amtliche Angelegenheit, und wenn sie ihn nicht vorließen, wolle er sich beschweren. Die Schreiber mußten nachgeben, und einer von ihnen holte den Polizeiinspektor. Dieser nahm die Erzählung Akakij Akakijewitschs höchst sonderbar auf. Er zeigte wenig Interesse für seinen Mantel, begann ihn dagegen auszufragen, was er denn überhaupt in der späten Stunde auf der Straße zu suchen gehabt hätte, und ob er nicht gar in einem verdächtigen Hause gewesen sei. Diese Fragen

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