Pfad der Angst
daraus einen funktionierenden Empfänger für unsere Peilsender zu bauen.«
»Wozu das denn? Wir haben doch schon einen Empfänger.« Bob öffnete die Tür des riesigen alten Kühlschranks, der als ›Kaltes Tor‹ den Durchgang zur Zentrale verbarg, und sie kletterten hinein, wobei Justus einige Probleme mit der sperrigen Antenne bekam.
»Und jetzt haben wir eben einen zweiten als Ersatz. Falls uns zum Beispiel mal wieder einer bei einer Verfolgungsjagd kaputtgeht und das Handy nicht funktioniert.«
Durch einen Gang unter dem kunstvoll abgestützten Holz- und Metallschrott marschierten sie zur Zentrale. Das war früher einmal ein ausrangierter alter Wohnwagen gewesen. Jetzt war es ein zerbeultes, zerkratztes altes Wrack, das nur noch sehr entfernt an einen Wohnwagen erinnerte. Da die Tür seit einem spektakulären Unfall völlig verbogen war, hatten Justus und Peter sie ausgebaut und zur Reparatur in die Freiluftwerkstatt gebracht.
Im Inneren der Zentrale herrschte Chaos. In einer Ecke lag ein Müllsack voller Papiere und Aktenordner. Das dazugehörige Regal stand vor der Tür zur Dunkelkammer. Der Inhalt der Dunkelkammer – ein Vergrößerer, drei Wannen, Papierpakete und mehrere Kanister voller Chemie – lagerte auf dem Schreibtisch. Der Computer, der eigentlich unter dem Schreibtisch stehen sollte, lag auf dem einzigen Sessel, zusammen mit dem Bildschirm, dem Drucker, einem Haufen Schmierpapier und ungefähr hundert Kugelschreibern, Bleistiften, Filzstiften, Radiergummis und Linealen. Der Kühlschrank stand dort, wo er hingehörte, wurde aber durch drei Kartons voller Detektivausrüstung und zwei zerschlissene schwarze Bürodrehstühle blockiert. Das Einzige, was sich an seinem angestammten Platz befand und auch erreichbar war, war der Anrufbeantworter, und er war nicht nur ordnungsgemäß installiert und mit Kabeln versehen, sondern zeigte auch durch regelmäßiges Blinken einer roten Lampe an, dass jemand angerufen hatte.
Justus pflügte sich einen Weg durch die Zentrale, schaltete den Verstärker ein und drückte die Wiedergabetaste.
»Hallo?«, sagte eine gehetzt klingende Männerstimme. »Warum erreicht man hier niemanden? Was ist da los? Ich heiße – äh – sagen wir – Professor Leon Battista Alberti. Es geht um folgenden Fall, ich buchstabiere: V-S-L-R-Q-D-J-H. Fragt Cäsar. Ich erwarte euch um drei Uhr nicht bei mir zu Hause, sondern im Park. Es ist leicht. Auf Wiederhören.«
Justus hielt das Band an und spulte es zurück.
»Was war das denn?«, fragte Bob irritiert. »Ich habe kein Wort verstanden.«
»Es klang wie eine codierte Nachricht«, erwiderte Justus und spielte den Anruf noch einmal ab. »Das ist ja sehr interessant.«
»O nein«, stöhnte Peter. »Dieses Funkeln in deinen Augen kenne ich, Just. Bitte sag ein einziges Mal das, was ich hören will. ›Das ist alles Quatsch, der Typ spinnt, und wir sollten lieber zum Surfen fahren!‹«
Justus grinste. »Ganz im Gegenteil, Peter! Jeder, der sich schon einmal mit Kryptologie beschäftigt hat, weiß sofort, um was es geht. Es ist tatsächlich ganz einfach – zumindest der Anfang.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Beim zweiten Teil bin ich mir noch nicht so sicher, aber wir sollten uns beeilen.«
»Kryptologie?«, wiederholte Bob. »Du meinst Verschlüsselung?«
»Genau. Die Buchstabenfolge ist natürlich verschlüsselt, und den Schlüssel hat uns unser unbekannter Anrufer gleich mitgeliefert. Cäsar!«
»Cäsar?«, sagte Peter. »Schön, wenn wir jetzt mit Geschichtsunterricht anfangen, will ich erst mal meine Limo. Bob, hilf mir mal!« Er schob die beiden Drehstühle weg und begann, die Kartons vor dem Kühlschrank zur Seite zu wuchten. Bob packte mit an, während Justus einen Chemiekanister vom Tisch auf den Boden stellte und sich auf die frei gewordene Ecke setzte.
»Das hat nichts mit Julius Cäear zu tun, Peter«, sagte er. »Leon Battista Alberti war ein italienischer Schriftsteller, Architekt und Mathematiker. Er lebte im fünfzehnten Jahrhundert in Florenz und verbesserte eine von Julius Cäsar erfundene Verschlüsselungsmethode. Bei dieser Methode wird jeder Buchstabe des Alphabets durch einen anderen Buchstaben ersetzt, der einige Plätze hinter ihm steht – bei Cäsar waren es vier, es können aber auch mehr oder weniger sein. Diese Methode galt jahrhundertelang als absolut sicher, wurde aber später durch viel kompliziertere Verschlüsselungen ersetzt. Heutzutage kann jedes Kind nach der
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