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Pfade Ins Zwielicht

Pfade Ins Zwielicht

Titel: Pfade Ins Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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guten fingen alle hier an, und zwar heute. Wenn nur noch geringe Erfolgaussichten bestanden, musste man sie ergreifen.
    In der Ferne erscholl der schrille Ruf eines Schneevogels, dann ein zweites und ein drittes Mal. Ituralde legte die Hand an den Mund und erwiderte die drei Rufe. Augenblicke später kam ein zottiger, gescheckter Wallach zwischen den Bäumen hervor, sein Reiter trug einen weißen Umhang mit schwarzen Streifen. Reiter und Pferd wären in dem verschneiten Wald kaum zu sehen gewesen, hätten sie sich nicht bewegt. Der Reiter hielt neben Ituralde an. Er war ein stämmiger Mann, der mit einem Kurzschwert bewaffnet war; am Sattel hingen ein Köcher Pfeile und ein Bogen in einem Lederfutteral.
    »Sieht so aus, als wären alle gekommen, mein Lord«, sagte er mit seiner ständig heiseren Stimme und schob die Kapuze zurück. Jemand hatte Donjel aufhängen wollen, als er noch jung gewesen war, allerdings war der Grund dafür im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten. Was von seinem kurzgeschnittenen Haar noch übrig war, wies eine eisengraue Farbe auf. Die dunkle Lederklappe, die die leere rechte Augenhöhle verbarg, war ein weiteres Andenken an eine jugendliche Rauferei. Aber ob nur ein Auge oder zwei, er war der beste Kundschafter, der Ituralde jemals begegnet war. »Die meisten jedenfalls«, fuhr er fort. »Sie haben das Schloss mit zwei Wächterketten umgeben, die eine in der anderen. Man kann sie aus einer Meile Entfernung sehen, aber keiner wird sich nähern können, ohne dass die im Schloss es merken und rechtzeitig verschwinden können. Den Spuren nach zu urteilen, haben sie nicht mehr Männer mitgebracht, als Ihr es mir gesagt habt. Natürlich«, fügte er beiläufig hinzu, »seid Ihr ihnen noch immer zahlenmäßig überlegen.«
    Ituralde nickte. Er hatte das Weiße Band angeboten, und die Männer, die er treffen wollte, hatten zugestimmt. Die Männer hatten beim Licht, ihren Seelen und der Hoffnung auf Erlösung geschworen, in diesen drei Tagen keine Waffe gegeneinander zu ziehen oder Blut zu vergießen. Allerdings war das Weiße Band in diesem Krieg noch keiner Probe unterzogen worden, und in diesen Tagen hatten manche Männer seltsame Vorstellungen davon, wo die Erlösung lag. Zum Beispiel jene, die sich Drachenverschworene nannten. Er war immer als Spieler bezeichnet worden, auch wenn er das nicht war. Der Trick bestand darin, dass man wusste, welche Risiken man einging und welche nicht. Und manchmal, welche man einfach eingehen musste.
    Er zog ein in gewachste Seide eingenähtes Päckchen aus dem Stiefelschacht und gab es Donjel. »Sollte ich nicht in zwei Tagen an der Coron-Furt sein, übergebt das hier meiner Frau.«
    Der Kundschafter schob das Päckchen unter den Umhang, berührte seine Stirn und lenkte sein Pferd nach Westen. Er hatte schon zuvor ähnliche Päckchen für Ituralde befördert, für gewöhnlich vor einer Schlacht. Sollte das Licht dafür sorgen, dass Tamsin nicht gezwungen wurde, es diesmal zu öffnen. Sie würde ihn heimsuchen - das hatte sie ihm versprochen -, das erste bekannte Mal, dass die Lebenden die Toten heimsuchten.
    »Jaalam«, sagte Ituralde, »lasst uns sehen, was uns in Lady Osanas Jagdschloß erwartet.« Als er Pfeil antrieb, schlössen sich die anderen ihm an.
    Die Sonne erreichte den Zenit und senkte sich wieder. Die dunklen Wolken im Norden kamen näher heran, die Kälte wurde schlimmer. Bis auf das Klirren der Hufe, die in die Schneedecke einbrachen, gab es keinen Laut. Von den Reitern abgesehen schien der Wald menschenleer zu sein. Ituralde sah keinen der Wächter, von denen Donjel gesprochen hatte. Die Meinung des Mannes, was man aus einer Meile Entfernung sehen konnte, unterschied sich von denen der meisten. Natürlich würden sie ihn erwarten. Und ihn beobachten, um sicherzugehen, dass ihm kein Heer folgte, Weißes Band oder nicht. Eine beträchtliche Zahl von ihnen würde vermutlich gute Gründe haben, Rodel Ituralde mit Pfeilen zu spicken. Ein Lord mochte das Weiße Band im Namen seiner Männer schwören, aber würden sich auch alle daran gebunden fühlen?
    Manchmal gab es Risiken, die man einfach eingehen musste.
    In der Mitte des Nachtmittags ragte Osanas so genanntes Jagdschloss unvermittelt zwischen den Bäumen hervor, eine Masse aus blassen Türmen und schlanken Spitzkuppeldächern, die auch in Bandar Eban nicht Fehl am Platz gewesen wären. Sie hatte es schon immer auf Männer oder Macht abgesehen, ihre Trophäen waren trotz ihrer Jugend zahlreich

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