Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
sich so wenig abschütteln wie die rasende Angst. In der nächsten Kurve stieß sie sich den Kopf. Beinahe dankbar sah sie das gleißende Licht auf sich zujagen, das irgendwo tief in ihrem Gehirn zerplatzte und sie davontrug.
Der Wagen stand. Vielleicht schon eine ganze Weile. Leute redeten. Katinka schnappte nach Luft. Ihre Nase war geschwollen, sie konnte kaum atmen. Jemand riss den Kofferraum auf.
»Verdammt, Georg!« Das war Karl Süßholz. »Bist du wahnsinnig geworden?« Karl beugte sich zu Katinka herunter. »Hol sie da sofort raus.«
Katinka schnitt ihm wilde Grimassen. Endlich verstand er und riss das Klebeband ab. Sie keuchte auf. Luft. Nur Luft kriegen.
»Wenn du schreist, knall ich dich ab.« Das kam von Norbert. Der Pistolenlauf war genau auf Katinkas Kopf gerichtet.
Katinka holte einige Male tief Atem. Sie brauchte nur einen kurzen Blick um sich werfen, um zu wissen, wo sie waren: auf dem Parkplatz am Fuß der Burg Bramberg. Schon wieder. Es war zu verrückt, um nicht wahr sein zu können.
»Georg, kannst du mir das erklären?«, fragte Karl Süßholz sehr scharf.
Georg hockte auf der hölzernen Bank des Rastplatzes und zuckte nur die Schultern. So, wie er da saß, mit hängenden Schultern und gleichgültigem Blick, wollte man kaum glauben, dass er Katinka überwältigt, gefesselt und in seinem Polo herumgefahren hatte.
»Sie hat alles gesehen«, sagte er nur.
»Was hat sie gesehen?«, kam es streng von Norbert. »Erklärt mir auch mal jemand was?«
Das war gut: Die Drei hatten einen kleinen Zwist unter sich. Katinka biss die Zähne zusammen. Vielleicht konnte sie Kapital daraus schlagen. Cuno hatte Georgs Autokennzeichen. Wenn er sich nur schnell kümmerte. Wenn er nicht wieder die halbe Nacht Rotwein trank und Minesweeper spielte!
»Halt die Klappe, Norbert«, sagte Karl.
Norbert?, dachte Katinka aufgeregt. Heißt er doch Norbert?
»Sie weiß alles«, erwiderte Georg ungerührt.
Norbert ließ die Waffe ein Stück sinken.
»Wie bitte?«
»Ich habe alte Autoreifen im Wagen«, fuhr Georg fort. »Die Leiche findet niemand.«
Nein, schoss es Katinka durch den Kopf. Der will dich entsorgen. Sag endlich was. Reden! Die Zeit verlängern. Bitte, Cuno, mach dich auf die Socken. Hol Hardo. Ihr Herz jagte noch schneller. Oder die Stein. Oder wen auch immer!
»Wenn mir jemand sagen könnte, was ich eigentlich gesehen habe, wäre ich auch zufriedener«, sagte sie heiser.
Norbert lachte auf. »Neugierig wie ein Tierbaby.« Er drehte sich zu Karl. »Machen wir schnell. Georg soll die Reifen aufschichten. Oben, wo der Wagen gebrannt hat. Keinem wird was auffallen, wenn nachts schwarzer Rauch zwischen Bäumen hervorquillt.«
»Das machen wir nicht«, erklärte Karl Süßholz sofort, und in Katinka tobte eine Welle der Zuneigung für ihn. Sie musste Karl auf ihre Seite ziehen, ihn, keinen anderen.
Georg stand ungerührt auf und begann, vergammelte Autoreifen aus dem Wageninneren auszuladen. Er musste den ganzen Polo mit Ausnahme des Fahrersitzes ausgenutzt haben.
»Beste Leichenvernichtungsmethode, die man sich denken kann, aber das weißt du wahrscheinlich, wie?«, fragte Norbert.
»Habt ihr die Gasheizung in dem Bauwagen dort oben manipuliert?« Sie drehte ihr Gesicht zu Karl. »Waren Sie das, Herr Süßholz?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe gestern in der Zeitung davon gelesen. Ich war es nicht. Ich nicht.«
Aber du hast Hagen getötet, dachte Katinka. Du warst es. So wie du da stehst und schaust und vor Schuld ganz wirr bist.
»Keiner von uns war es«, schnarrte Norbert.
Aus den Augenwinkeln sah Katinka Georg nach, der in der Dunkelheit den Berg hinaufstieg, einen Plastiksack Autoreifen auf dem Rücken.
Mein Gott, dachte Katinka. Mach langsam, Georg, ganz langsam. Der Weg zum Steinbruch ist weit. Lass mich am Leben. Sie ignorierte die dumpfen Schmerzen in ihren Muskeln und sagte:
»Kann Georg die Gasheizung manipuliert haben?«
Karl schüttelte nur den Kopf.
»Beeilen wir uns«, unterbrach Norbert. »Die Dame weiß zu viel.«
»Ich weiß gar nichts!«, rief Katinka. Wieder suchte ihr Blick Karl Süßholz. »Herr Süßholz, ist Ihr Bruder der Brandstifter, der seit dem Frühsommer von der Polizei gesucht wird?«
Karl nickte.
»Sie wussten davon, oder?«
»Ich habe es mitgekriegt, als er nicht zu Hause war und ich in sein Zimmer ging. Um mich umzuschauen, nicht die feine Art, aber er war doch erst kurz zuvor aus der Klinik entlassen worden. Ich mache mir immerzu Sorgen. Tag
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