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Phantom der Tiefe

Phantom der Tiefe

Titel: Phantom der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hatte, diese Wallfahrt mitzumachen, obwohl sie ihn vermutlich umbringen würde. Milas war im Sommer dreiundneunzig Jahre alt geworden, und er hatte diesen Geburtstag noch rüstig im Kreise seiner Familie gefeiert. Jetzt aber war Winter, und schon zu Beginn der kalten Jahreszeit hatte der alte Mann an einer Lungenentzündung laboriert, von der nur er selbst behauptete, sie längst überstanden zu haben. Sein Arzt war anderer Meinung. Milas hatte die Reise zum Ararat auf eigene Verantwortung angetreten.
    Kemer war wütend, daß der alte Mann das getan hatte - - und zornig auf sich selbst, weil er es zugelassen hatte!
    Den anderen Familienangehörigen schien gleichgültiger zu sein, was mit Milas passierte. Dreiundneunzig Jahre ... nun, niemand lebte ewig. Milas hatte ein Alter erreicht, wie es den wenigsten vergönnt war.
    Kemer wußte das auch. Aber etwas in ihm trotzte der Gleichgültigkeit, die mit der Erkenntnis um die schlußendliche Sterblichkeit eines jeden Menschen verknüpft schien .
    Plötzlich - nur ein paar Momente lang - schwankte der Boden. Die Erschütterung veränderte die Stimmkulisse aus dem Nachbarzelt jäh. Kemer hörte furchtsame, fast entsetzte Aufschreie, die aus Frauenmündern kamen. Aber auch Männer verliehen ihrer Überraschung lautstark Ausdruck.
    Nach der ersten Schrecksekunde wollte sich Kemer erheben und zu den anderen eilen, um herauszufinden, was geschehen war.
    Ein - Erdbeben .?
    Auszuschließen war es nicht, auch wenn der riesige Vulkankegel, an dessen Fuß sie ihre Zelte aufgeschlagen hatten, letztmals im vorigen Jahrhundert ausgebrochen war .
    Noch mitten in der Bewegung, mit der Kemer sich aufrichtete, bemerkte er, daß die Augen seines Großvaters nicht länger geschlossen waren.
    Unverwandt, aber in fiebrigem Glanz starrte Milas seinen Enkel an. Kemer hatte das Gefühl, direkt in zwei eitrige Entzündungsherde zu blicken. Nicht mehr weiß, sondern fast gelb sahen die Pupillen des alten Mannes im trüben Schein der Karbidlampe aus.
    »Kemer?«
    »Ja, Großvater?« Kemer hielt inne, obwohl in diesem Augenblick ein weiterer kurzer Erdstoß erfolgte.
    Auch sein Großvater mußte spüren, daß etwas vorging. Er stöhnte leise. Dann sagte er, Schweiß auf der Stirn: »Was - geht da vor?«
    »Ich weiß es nicht, Großvater. Ich wollte gerade nachsehen .«
    »Sieh nach!«
    Kemer hatte das Gefühl, daß der alte, allgemein als versponnen geltende Mann noch nie eindringlicher zu ihm gesprochen hatte.
    Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, drehte Kemer sich um, öffnete die Verschlüsse des Zelteingangs und huschte hinaus in die klirrende Kälte, die sich augenblicklich wie kristallene Hagelkörner durch seine Kleidung fraß. Die Zeit, sich den Mantel überzustreifen, hatte er sich nicht genommen. Nur im Pullover eilte er auf das Hauptzelt zu, um das blakende Fackeln ihren unruhigen Schein in die Nacht streuten.
    In diesem Licht herrschte ein groteskes Durcheinander. Kaum jemanden schien es noch in den Zelten zu halten. Überall hasteten die Pilger durcheinander. In dem Stimmengewirr waren die Rufe einzelner nicht zu verstehen.
    Kemer entdeckte Akhan, der die Reise organisiert hatte. Akhan war ledig und von stämmiger Statur. Er versuchte die Menschen zu beruhigen, fand aber kaum Gehör, zumal schon das nächste Beben den Boden, auf dem die Pilger standen, erschütterte.
    Es fing fast sacht an, steigerte sich aber so gewaltig, daß die Tragkonstruktion eines der kleineren Zelte einknickte und es in sich zusammensank.
    Chaos und Panik schienen nicht mehr aufzuhalten.
    Kemer erreichte Akhan und rüttelte ihn am Arm. »Akhan .« Der Organisator der Wallfahrt drehte sich um, erkannte Kemer und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Geh wieder zu deinem Großvater - paß auf ihn auf! Hier kannst du nichts tun!«
    »Ein Erdbeben?«
    Akhan lachte heiser und reckte die Faust in Richtung des schneegekrönten Großen Ararat. In der mondhellen Nacht nahm sich das Gebirge majestätisch gegen das samtschwarze Firmament aus. Sommers war der fünftausend Meter aufragende Berg nur in seinem oberen Drittel schneebedeckt. Jetzt aber, im Winter, reichte die Schneegrenze bis auf etwa 1800 Meter hinab und spiegelte den Glanz des prachtvoll funkelnden Himmeldiadems wider.
    Aber - nicht nur die unzähligen Sterne schienen die Kuppe des uralten Vulkankegels zu erhellen.
    Es war, als würde die darauf liegende Decke auch . von innen heraus erstrahlen - und als wäre dieses Licht sogar sehr viel intensiver als

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