Ponyherz, Band 1: Anni findet ein Pony (German Edition)
»Fiep! Fiiiep! Fiiiiiep!«
Es ist ein sehr früher Sommermorgen.
Anni schläft noch, das Gesicht tief in ihr Kissen vergraben.
Eine winzige Schnauze nähert sich Annis Ohr. Sie schnuppert. Und stupst ungeduldig mitten in die Ohrmuschel.
»Iiiiiih!«
Anni schießt wie eine Rakete hoch.
Das Meerschweinchen flüchtet hinter das Kissen.
»Was war das denn?«, ruft Anni und reibt sich ihr Ohr.
Gerade will sie sich wieder gemütlich einkuscheln, da entdeckt sie ein paar dünne Antennen.
Schnurrbarthaare!
»Ronja, du Schlingel!« Anni kichert.
Der Käfig auf dem Boden steht sperrangelweit offen. Soeben wühlt sich aus der Streu ein zweites Meerschweinchen hervor.
»Na, super. Jetzt haben wir Rudi aufgeweckt.«
Rudi wieselt durch das Zimmer und hüpft übermütig in die Luft.
»Alles klar, Freunde!« Anni grinst. »Ich weiß Bescheid.«
Anni schwingt ihre Beine über die Bettkante und setzt Ronja auf den Teppich.
Geschickt baut sie aus Legos, ihrem dicken Federmäppchen und Wäscheklammern den perfekten Meerschweinchen-Hindernislauf. Dann holt sie zwei Knabberstangen aus ihrem Vorrat hervor.
Ronja wetzt los. Mit dem Leckerli fest im Blick hoppelt sie mühelos über die Hindernisse.
»Nicht schlecht, Frau Specht!« Anni kichert. »Du bist wie immer die Erste!«
Sie gibt Ronja die wohlverdiente Stange.
»Jetzt du, Rudi!«, ruft Anni.
Meerschweinchen Rudi ist nicht so ehrgeizig wie Ronja. Und nicht so hungrig. Er walzt einfach alles um, was ihm in die Quere kommt. Schließlich verzieht er sich unter das aufgeklappte Federmäppchen und beginnt den Radiergummi von Annis Bleistift abzunagen.
»Sag mal, spinnst du?«, ruft Anni empört.
Im selben Moment klingelt ihr Wecker.
Anni hält inne.
Wieder hat sie einen superblöden Schultag mit Pia, Bine und den anderen affigen Mädchen aus ihrer neuen Klasse vor sich. Die quatschen nämlich über nichts anderes als ihre tollen Pferde und das nächste Reitturnier.
Eigentlich wäre das gar nicht schlimm. Denn Anni mag Pferde total gerne.
Aber nur mit zwei Meerschweinchen im Stall kann sie schlecht mitreden.
Sie lockt Rudi und Ronja mit einem Leckerli in den Käfig und verschließt ihn.
Eilig macht sie Katzenwäsche und zieht ihr rotes Lieblingsshirt an.
Das Allerliebste trägt sie sowieso immer, Tag und Nacht: die Silberkette mit dem kleinen Herz. Sie ist ein Geschenk von Mara. Seit Anni aus Hamburg weggezogen ist, hat sie die Kette kein einziges Mal abgenommen.
Im letzten Moment fällt ihr ein, dass sie etwas Wichtiges vergessen hat.
Unter der Teppichkante am Fenster bewahrt Anni ihr Zeichenheft auf. Darin malt sie in jeder freien Minute ihre geheime Pferdegeschichte.
Eilig steckt sie es in ihren Rucksack und rennt in die Küche, damit sie noch frühstücken kann, bevor der Schulbus kommt.
Seit einem halben Jahr wohnt Anni mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Lars in Groß-Hottendorf. Weit weg von Hamburg und ihrer besten Freundin Mara. Das neue Haus ist riesig und hat einen Garten mit vielen Obstbäumen. Wenn Anni über die Wiese läuft, braucht sie nur ein Stück in die Höhe springen und schon ergattert sie einen Mundvoll süßer Kirschen. Seit gestern ist auch am Apfelbaum vor ihrem Zimmer der erste Apfel so rot wie der von Schneewittchen. Und direkt hinter dem Garten beginnt schon der Wald.
Eigentlich total schön hier.
Aber trotzdem: Immer wenn Anni an Mara und ihre alte Schule denkt, kriegt sie einen ganz kratzigen Hals.
»Passt du heute am Nachmittag auf Lars auf?«, bittet ihre Mutter, als Anni in der Küche auftaucht. Sie gibt Anni einen Guten-Morgen-Kuss und stellt einen Becher heißen Kakao auf den Tisch.
»Ich muss zwei Dutzend Orchideen auf dem Gutshof Hottenhöh ausliefern. Wenn die Sache gut läuft, kriegen wir unseren ersten tollen Auftrag für den Blumenschmuck beim nächsten Turnier.«
Annis Eltern sind Gärtner und züchten seltene Orchideen. Dafür braucht man jede Menge Platz, deshalb sind sie aus Hamburg weg in das leer stehende Haus von Annis Großonkel gezogen. »Orchideenhof« nennen ihre Eltern das neue Haus stolz. Dieser Name steht auch auf den Werbezetteln, die der Briefträger gleich nach ihrem Umzug verteilt hat.
Anni klettert auf die Eckbank neben Lars und pustet in ihren heißen Kakao.
»Klar, Mami. Ich hab ja sowieso nichts Besonderes vor. Wie immer.«
Ihre Mutter schaut Anni prüfend an. »Lad doch mal ein paar Mädchen aus deiner Klasse zu uns ein! Ich könnte Waffeln backen und Eis von unseren Himbeeren
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