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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ich einen Namen, wenn ich weiß, dass jemand der Revolution und dem Vaterland außergewöhnliche Dienste geleistet hat. Wenn ich dann mein ›S‹ oben rechts auf die Seiten setze, heißt das, dass ich den Hinrichtungen im Übrigen zustimme.«
    Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück und sah den Genossen Beria an. »Meiner Meinung nach stecken sie alle unter einer Decke. Was bedeutet, dass sie gemeinsam untergehen oder überleben. Wenn Modinskaja will, dass wir einen wertvollen Spion für einen Agenten der anderen Seite halten, muss man sich fragen, was hinter dieser Interpretation steckt. Wenn Gussakow ihre Schlüsse gegenzeichnet und Sudoplatow seine Initiale auf die Seiten setzt …«
    Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, dass ihm da kaum eine Wahl bleibe, und beendete den Satz auf, wie ich annehme, Georgisch. Der Genosse Beria nickte bedächtig. »Ich bin der gleichen Meinung, Genosse Stalin. Das riecht nach einer umstürzlerischen Verschwörung.«
    Die Fahrt zurück in die Stadt verlief in Grabesstille. Hatten die beiden Sicherheitsleute auf der Hinfahrt noch geschwatzt und gelacht, so sagten sie jetzt kein einziges Wort. Sommerliche Dunkelheit hatte sich über die Stadt herabgesenkt, gesättigt mit der für Moskau typischen Feuchtigkeit, die so ausgezeichnet für den weiblichen Teint sein soll. In der Ferne flammten rote Lichter am Horizont auf. Hitlers Streitkräfte bombardierten dort Munitionsfabriken, aber die Explosionen waren zu weit weg, als dass man sie hätte hören können. Die Stadt lag verlassen da, und die Fenster waren verdunkelt, als wir die Straße hinter der Lubjanka erreichten. Das riesige Gebäude war, wie man sich erzählte, vor der glorreichen Oktoberevolution Sitz einer Versicherung gewesen. Hoch ragte es vor uns auf und schob sich vor Himmel und Sterne. Der Fahrer fuhr am Haupteingang mit den verzierten doppelten Flügeln, der zum Haupthof führte, wo wir normalerweise ein- und ausstiegen, vorbei und steuerte den Zil ein Stück weiter vor ein kleineres metallenes Tor. Dort hupte er zweimal. Knirschend öffneten sich die Türen, und wir glitten mit abgeblendetem Licht in den Hof, durch den die Gefangenen ins Gebäude gebracht wurden. Hauptmann Gussakow lehnte sich vor. »Ihr habt den falschen Eingang genommen«, sagte er.
    Der Fahrer wandte uns sein offenes Bauerngesicht zu. »Das ist kein Fehler, Genossen Offiziere«, versicherte er uns und schien ernsthaft verlegen. »Wir dachten, Sie hätten es begriffen: Sie sind alle verhaftet.«

Kapitel 15
    Moskau im Januar 1942:
Der ehemalige Oberleutnant Modinskaja lehnt eine letzte Zigarette ab
    »Der Trick ist, die Aufnahmelautstärke auf fünf zu stellen. Wenn Sie in das Mikrofon sprechen, sollte die Nadel hochschnellen, aber nicht bis in den roten Bereich. Wenn sie das tut, haben Sie die Lautstärke zu hoch gedreht.«
    »Sollte ich Ihre Hilfe brauchen, Gefangene Modinskaja, werde ich Sie darum bitten. {Pause} Test: eins, zwei, drei. Jetzt scheint es zu funktionieren. Ich beginne mit dem Verhör.«
    »Ja, fangen Sie ruhig an. Wir wollen die Genossen in der Krypta doch nicht warten lassen.«
    »Sie müssen wirklich nicht diesen Ton anschlagen. Es ist auch für mich eine Tortur.«
    »Ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ich selbst habe bei einem denkwürdigen Anlass auf Ihrer Seite der Bandmaschine gesessen, in genau diesem Raum übrigens.«
    »Seit Ihrer Zeit hier gibt es eine neue Verordnung. Verurteilten Gefangenen soll eine letzte Zigarette gewährt werden. Nehmen Sie eine …«
    »Ich rauche nicht.«
    »Nur, damit ich nicht gemaßregelt werde: Könnten Sie auf dem Band bestätigen, dass ich Ihnen eine Zigarette angeboten habe und Sie keine wollten?«
    »Sie haben mir eine Zigarette angeboten. Ich wollte keine.«
    »Also gut, fangen wir an. ›Verhör der Landesverräterin Nummer SH sieben-null-sieben-eins-null-acht.‹ {Pause} Gefangene Modinskaja, möchten Sie sich über Ihre Behandlung in der Haft beschweren?«
    »Die Fußeisen schneiden mir in die Knöchel, die geschwollen und entzündet sind.«
    »Fußeisen und Handfesseln sind für verurteilte Gefangene zwingend vorgeschrieben. {Pause} Wissen Sie, wo Sie sind?«
    »Sparen Sie sich Ihre Worte. Ich bin desillusioniert, aber nicht desorientiert. Ich habe diesen Raum gleich erkannt, als Sie mich aus dem Zellenblock hergebracht haben. Ich kenne seine Enge, seine Kahlheit, die hohe Decke und den Stuhl

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