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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
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Wahrscheinlichkeit zu sprechen, dass der Engländer das Zwei- oder Dreifache von den fünfzig Pfund bekommt, weil er vom SIS gezielt zur Desinformation eingesetzt wird. Gleich mehrere Leben und Lügen zu leben, könnte auch ein Grund für die Trinkerei sein.«
    Stalin wedelte mit seinem verkrüppelten Arm durch die Luft, als wollte er sagen, dass ihn meine gesammelten Argumente nicht überzeugt hätten.
    Ich holte tief Luft. »Was mich zu Alexander Orlow bringt …«
    »Deckname ›Der Schwede‹«, warf der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch ein. Er war eindeutig mit den Einzelheiten von Fall 5581 vertraut.
    »Der Schwede war der Führungsoffizier des Engländers im Feld. Er nahm die Berichte entgegen, wenn Sonny über die Grenze nach Frankreich kommen konnte. Diesen Monat ist es genau drei Jahre her, dass er zu den Amerikanern übergelaufen ist. Trotzdem wurde der Engländer nicht verhaftet, und auch seine beiden engen Freunde aus Cambridge nicht, Deckname ›Maiden‹ und ›Orphan‹, die von uns auf Vorschlag des Engländers rekrutiert wurden. Was den Verdacht nahelegt, dass es sich bei allen dreien um britische Maulwürfe handelt, die uns mit Fehlinformationen füttern.«
    Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch fragte: »Kannten Sie den Schweden persönlich?«
    »Ich habe ihn nie getroffen, hochgeachteter …«
    Er schnitt mir das Wort ab. »Ich schon. Ich kenne ihn seit der Revolution. Er ist Jude – hieß eigentlich Felbing, wenn ich mich recht erinnere –, aber ich habe ihm das nie vorgehalten. Es gibt auch gute Juden. Felix Dserschinski rekrutierte den Schweden als Tschekisten und brachte ihn her, damit ich ihn kennenlernte. Als ich nach Stalingrad fuhr, um unseren Widerstand gegen die Weißen zu stärken, war der Schwede einer der Männer, auf die ich mich verlassen konnte. Wir trieben die feigen, zurückweichenden Kommandeure zusammen, fesselten sie an Händen und Füßen und warfen sie von einem Kahn in die Wolga. Danach blieben die restlichen Kommandeure standhaft. Zur Feier des Tages schenkten mir der Schwede und ein paar seiner Tschekisten-Freunde eine schöne italienische Beretta. Ich habe sie immer noch. Sie liegt in einer Schublade direkt neben meinem Bett. Der Schwede und ich sind uns im Lauf der Jahre immer wieder begegnet. Sollten sich unsere Wege noch einmal kreuzen, werde ich ihn wegen Hochverrats erschießen lassen. Dennoch muss man sagen, dass er ein Mann aus Stahl war, ein Mann von Ehre. Nach seinem Überlaufen zu den Amerikanern sandte er mir durch Beria einen Brief, in dem er sagte, wenn ich seine Familie nicht anrührte, würde er auch meine in Ruhe lassen, womit er unsere bis dahin von ihm geführten Agenten in Europa meinte. Ich habe seinen Leuten kein Haar gekrümmt, was erklärt, warum der Engländer, ihr Sonny, zusammen mit den beiden anderen, Maiden und Orphan, noch auf freiem Fuß ist.«
    N. Chruschtschow hob einen Finger, wie ein Kind in der Schule. »Ich erinnere mich an den Schweden aus der Zeit der Ausschaltung der Kulaken in der Ukraine«, sagte er. »Breite Schultern. Militärischer Haarschnitt. Durch und durch ein Bolschewik. Niemand hätte gedacht, dass er eines Tages zum Feind überlaufen würde.«
    »Hochgeachteter Josef Wissarionowitsch, selbst wenn der Schwede dem Westen die Identität des Engländers und die unserer übrigen Agenten nicht verraten hat, wird er sie doch über das
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aufgeklärt haben, womit ich die Einzelheiten meine, über die der Engländer die Moskauer Zentrale informiert hat. Ich habe sie selbst studiert und so getan, als wüsste ich nicht, woher sie stammten. Berichte über die deutschen Waffen für Franco, die deutschen Fluglehrer, die den Piloten zeigten, wie sie die neuen Messerschmitt 209 zu fliegen hatten, und über den Einbau einer neuen Visiereinrichtung in der Heinkel 111. Selbst ein Kind hätte die Quelle dahinter auf ein rundes Dutzend britischer, aufseiten der Nationalisten über den Krieg berichtender Journalisten einengen und dann ausgehend von den verschiedenen Standorten den in Salamanca stationierten Sowjetagenten Harold Philby identifizieren können. Wenn ich das hier in Moskau konnte, ist es undenkbar, dass der so gerühmte britische Secret Intelligence Service in London nicht zum gleichen Ergebnis gekommen ist. Es gibt nur eine schlüssige Erklärung dafür, dass Sonny nicht verhaftet wurde: Er wird vom SIS zur Desinformation eingesetzt.«
    Ich sah, wie der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch beim Pfeifestopfen
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