Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
erzählte mir Kollek bei unserem Gespräch in Jerusalem, »als ich plötzlich ein bekanntes Gesicht am Ende des Flurs entdeckte. Es bestand kein Zweifel. Ich stürzte in Angletons Büro und rief: ›Jim, du glaubst nicht, wen ich draußen auf dem Gang gesehen habe. Kim Philby!‹ Und ich erzählte ihm von Wien und der Ehe mit Litzi Friedmann und dass es den Verdacht gegeben habe, Philby sei von ihr als Sowjetagent rekrutiert worden. Und ich sagte: ›Einmal Kommunist, immer Kommunist.‹«
Verwirrt fragte ich Mr Kollek, ob genau das seine Worte gewesen seien. »Ja«, sagte er. »›Einmal Kommunist, immer Kommunist.‹«
Ich fragte, wie Angleton reagiert habe. »Nun, Jim hat überhaupt nicht darauf reagiert. Er ging mit keinem Wort darauf ein und hat es auch später nie zur Sprache gebracht.«
Als Teddy Kollek ihn am Ende des Ganges sah, war Kim Philby der Verbindungsoffizier der Briten zur CIA und zum FBI. Kim traf seinen alten Freund aus London, Jim Angleton, fast täglich. Die beiden gingen regelmäßig freitagmittags in einer Kneipe in Georgetown zusammen essen.
»Und was geschah, nachdem Sie Angleton von Philby und Wien erzählt hatten?«, fragte ich.
Ich sehe Mr Kollek noch vor mir, wie er sich darauf konzentriert, dass die Asche seines Zigarillos nicht herunterfällt. »Ihre Vermutung ist da so gut wie meine.«
Meine Vermutung ist das Herzstück dieses Romans.
Während seiner langen Karriere, die 1975 mit seinem Rauswurf durch den CIA-Direktor Colby endete, war der Chef der Spionageabwehr James Jesus Angleton wie besessen von der Furcht vor einer möglichen sowjetischen Unterwanderung. CIA-Mitarbeiter, die fließend Russisch sprachen oder russisch oder polnisch klingende Namen hatten, gerieten unter Generalverdacht. Ständig wurden Leute an Lügendetektoren angeschlossen, und nicht alle bestanden die Tests. Angletons Argwohn zerstörte Karrieren. Potenzielle Überläufer wurden abgewiesen aus Angst, sie könnten sowjetische Maulwürfe sein. Am Ende wurde die gesamte antisowjetische Abteilung der CIA entkernt, Angletons Besessenheit lähmte die Operationen gegen die Sowjetunion. Ob Angleton nun durch Teddy Kollek von Philbys verdächtiger Vergangenheit (der Sozialistischen Gesellschaft in Cambridge, Wien, Litzi Friedmann) erfuhr oder bereits darüber Bescheid wusste – es ist undenkbar, dass er Philby auch nur einen Fuß in das Allerheiligste der CIA hätte setzen lassen, es sei denn …
Es sei denn, er persönlich hatte Philby umgedreht, oder Philby war schon immer ein britischer Agent gewesen, der Moskau mit Fehlinformationen gefüttert hatte. Der beste Weg, ins Moskauer Herz der Finsternis vorzudringen, wäre schließlich gewesen, die Moskauer Zentrale glauben zu lassen, dass sie die westlichen Geheimdienste unterwandert hätte. Was bedeutete, dass Briten und Amerikaner, wie es der Haddsch in meinem Buch ausdrückt, die Sowjets »bis zum Gehtnichtmehr« mit Fehlinformationen hätten füttern können.
Als Donald Maclean, enttarnt als sowjetischer Agent, nach Moskau floh (zusammen mit Guy Burgess, der offenbar in letzter Minute die Nerven verlor und mit ihm ging), war Kim Philbys Tarnung aufgeflogen. Vom SIS zum Rücktritt gezwungen, ging er nach Beirut, wo er als Nahostkorrespondent für zwei Londoner Zeitungen arbeitete, den
Observer
und den
Economist.
Nachdem er 1963 ebenfalls in die Sowjetunion geflohen war, machte Angleton seinen CIA-Kollegen gegenüber Andeutungen, dass hinter Philbys Geschichte mehr stecke, als auf den ersten Blick erkennbar sei. Das war sicher nicht zuletzt auch eine Schutzbehauptung. Aber steckte noch mehr dahinter?
Teddy Kollek starb am 2. Januar 2007.
Das Rätsel, wem Philby am Ende wirklich treu war, ist weiterhin ungelöst.
Robert Littell wurde 1935 in Brooklyn geboren und zählt zu den Meistern des amerikanischen Spionageromans. Er diente vier Jahre in der Navy auf einem Zerstörer und arbeitete als Journalist, bevor er 1970 die USA verließ, um seine Erfahrungen im Kalten Krieg literarisch zu verarbeiten. Seine CIA-Saga
Die Company
wurde zum internationalen Bestseller, zuletzt erschien im Arche Verlag
Das Stalin-Epigramm
. Robert Littell lebt in Südfrankreich.
Werner Löcher-Lawrence , Jahrgang 1956, studierte Journalismus, Literatur und Philosophie und arbeitete als Lektor in verschiedenen Verlagen. Heute ist er als literarischer Agent und Übersetzer tätig. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören Sam Apple, Ethan Canin, Patricia Duncker, Jane Urquhart
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