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das mit Angehörigen der alten Athener Oberschicht besetzt war. Darunter befanden sich mit Charmides und Kritias zwei
Onkel Platons mütterlicherseits. Dieses Regime der »Dreißig Tyrannen« errichtete eine Willkürherrschaft, die aber bereits
403 von den Demokraten wieder gestürzt wurde.
In enger Verbindung zu den Demokraten stand die philosophische Aufklärungsbewegung der Sophisten. Ihr Ziel war es nämlich,
Philosophie lehrbar zu machen und auch den einfachen Bürger mit Argumenten auszurüsten, mit denen er sich gegenüber den traditionellen
Eliten behaupten konnte. Führende Sophisten gehörten zu |12| den Beratern des Perikles. In der alten Oberschicht waren sie auch deswegen unbeliebt, weil sie anzweifelten, dass die Geltung
der Gesetze durch Tradition begründet werden könne. Gesetze, so sagten sie, seien nichts anderes als Konventionen und könnten
jederzeit geändert werden.
Der junge Platon war, aus Familientradition und Überzeugung, ein Konservativer. Er hat sowohl die Athener Demokraten als auch
die Sophisten immer als seine Gegner angesehen. Er hielt daran fest, dass es in der Gesellschaft eine klare Abgrenzung zwischen
»oben« und »unten« geben, dass die politische Macht von den »Besten« ausgeübt werden müsse und dass die Masse des Volkes nicht
zur Herrschaft geeignet sei. Nach eigenen Aussagen hatte Platon ursprünglich große Neigung, sich aktiv in der Politik zu engagieren.
Doch als seine beiden Onkel ihm während der Zeit der Dreißig Tyrannen politische Mitarbeit anboten, weigerte er sich. Die
Herrschaftsmethoden der Dreißig Tyrannen stießen ihn ab. Er glaubte, dass die alte Oberschicht in ihrer Aufgabe, gerecht zu
herrschen, versagt habe.
Doch der eigentliche Grund seiner Ablehnung lag in seiner Bekanntschaft mit Sokrates und seiner Hinwendung zur Philosophie.
Er hatte Sokrates bereits im Alter von vierzehn Jahren kennen gelernt und gehörte ab seinem zwanzigsten Lebensjahr zu dessen
Schülerkreis.
Sokrates kam ursprünglich aus den Reihen der Sophisten. Wie diese trug er die Philosophie auf die Straße und vertraute eher
der Vernunft als der Tradition. Doch unterschied er sich von den Sophisten in einem entscheidenden Punkt: Er glaubte, dass
es feste und allgemein gültige Maßstäbe für das menschliche Handeln gibt und dass tugendhaftes Handeln auf Erkenntnis und
Wissen beruht. In den Gesprächen, die uns Platon in seinen frühen Schriften überliefert hat, fragt Sokrates nach solchen Maßstäben,
doch alle diese Gesprächen enden ohne Ergebnis. Platon war einer der Schüler, die die Fragen des Sokrates aufnahmen und versuchten,
eigene Antworten zu finden.
Unter diesen Schülern waren auffällig viele junge Aristokraten, was von den regierenden Demokraten mit Misstrauen beobachtet |13| wurde. Die letzten Gründe, warum Sokrates schließlich im Jahr 399 von den Demokraten zum Tode verurteilt wurde, werden vielleicht
nie geklärt werden. Der Vorwurf jedenfalls, er habe die Jugend zu fremden Göttern verführt und vom Pfad der Tugend abgebracht,
ist auch ein politischer Vorwurf, da jedes griechische Gemeinwesen seinen Zusammenhalt durch einen bestimmten religiösen Kult
begründete. Religion und Politik hingen auf das Engste miteinander zusammen.
Die Hinrichtung des Sokrates durch den Giftbecher war das entscheidende Ereignis und der Wendepunkt in Platons Leben. Er verstand
sich nun als dessen philosophischer Nachlassverwalter. Wie viele andere Schüler des Sokrates verließ er Athen, weil er politische
Verfolgung fürchten musste, und begab sich über ein Jahrzehnt lang auf Reisen. Diese Zeit des selbst gewählten Exils wurde
auch eine Zeit des geistigen Austauschs und neuer Erfahrungen.
Zunächst ging er für drei Jahre in die Nachbarstadt Megara, wohin sich auch Euklid, ein weiterer bekannter Sokrates-Schüler,
zurückgezogen hatte. Weitere Reisen führten ihn nach Kyrene, Tarent und Ägypten. Er begann philosophische Dialoge zu verfassen,
in denen er Sokrates als Hauptsprecher auftreten lässt und in denen er die Meinung des historischen Sokrates noch weitgehend
unverändert wiedergibt. Eine der ersten dieser Schriften, die
Apologie
, enthält die Verteidigungsrede des Sokrates vor Gericht und kann als nachträgliche Abrechnung Platons mit der Athener Demokratie
gelesen werden.
Das Thema der Gerechtigkeit taucht in den frühen Schriften immer wieder auf. Während die Sophisten immer wieder betonten,
dass es
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