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Weisheit,
Tapferkeit und Besonnenheit sind für Platon die vier »Kardinaltugenden«, wobei die Gerechtigkeit den harmonischen Zusammenhang
zwischen diesen Tugenden festlegt.
Indem Platon bestimmte Tugenden mit bestimmten Gesellschaftsschichten in Verbindung bringt, kommt er zur Vorstellung einer
Drei-Klassen-Gesellschaft: Ganz an der Spitze stehen wenige, mit königlicher Macht ausgestattete Regenten, die von einer Kriegerkaste,
den so genannten »Wächtern«, umgeben sind. Übrig bleibt die große Masse der freien Bürger, die arbeitende Bevölkerung, die
nicht an der Herrschaft beteiligt ist. Die Tugend der Regenten ist Weisheit: Sie treffen alle wichtigen Entscheidungen. Die
Tugend der Wächter ist Tapferkeit: Sie müssen gegen äußere und innere Gefahren gewappnet |18| sein. Die Tugend der Beherrschten schließlich ist Besonnenheit: Sie müssen ihre Leidenschaften bändigen, Mäßigung und Unterordnung
üben. Die Regenten und die Wächter sind eng miteinander verbunden: Sie bilden zusammen die herrschende Schicht, werden zusammen
erzogen und sind in dem Interesse vereint, die Ordnung des Staates aufrechtzuerhalten. Platons Staat ist wie Sparta ein Militärstaat
mit einem stehenden Heer, das nicht nur gegen äußere Feinde schützen, sondern auch innere Unruhen unterdrücken soll.
Gerechtigkeit ist für Platon ganz eng mit Stabilität verknüpft, einer Stabilität, die – wie in der pythagoreischen Lehre –
als eine mehrstimmige und doch rational organisierte Harmonie geordnet und in der jede Abweichung ein »Missklang« ist. Mehrstimmigkeit
heißt, in die Sprache der Politik übersetzt, eine eindeutige und unveränderbare Hierarchie verschiedener Stände. Politischer
Dissens oder gar Revolutionen sind dagegen Merkmale der Ungerechtigkeit.
In Platons Staat werden die Bürger in ihren Stand hineingeboren. Ein Aufstieg in einen höheren Stand ist nur in wenigen Ausnahmefällen
möglich. Das Gerechtigkeitsprinzip Platons lautet: Jeder soll das Seinige tun, das heißt, jeder soll den ihm von vornherein
zugewiesenen Platz in der vorgesehenen Weise ausfüllen. Hier wird eines der wichtigsten Anliegen Platons deutlich: Einer Demokratie,
so wie sie in Athen betrieben und von den Sophisten unterstützt wurde, sollte jede Legitimation genommen werden.
Legitim ist eine Herrschaft dagegen dann, wenn sie von der Vernunft bestimmt ist, und dies kann nur gewährleistet sein, wenn
die Herrschenden einer strengen Auswahl unterzogen werden. Deshalb erhalten in Platons Staat nur diejenigen den Status von
Regenten, die zu den höchsten Formen der Erkenntnis Zugang haben. Die Erziehung der Regenten und Wächter ist damit von ganz
wesentlicher Bedeutung. Platon empfiehlt hierfür eine Mischung aus philosophischer und wissenschaftlicher Erziehung, wie er
sie selbst für seine Akademie entworfen hatte, sowie einer militärisch-asketischen Erziehung, wie er sie aus Sparta kannte.
Sie wird vom Staat und nicht von den Eltern übernommen.
|19| Doch Platon führt auch ganz neue Elemente ein. Die herrschende Klasse ist eine Art sozialistischer Ordensgemeinschaft, in
der sowohl die Sexualpartner als auch der Besitz allen gemeinsam sind. Die normalen Familien- und Besitzstrukturen sind also
hier aufgehoben. Frauen und Männer sind gleichberechtigt, das heißt, auch Frauen können die Funktionen von Wächtern und Regenten
wahrnehmen. Doch herrscht zwischen den Geschlechtern keineswegs unbeschränkte sexuelle Freizügigkeit. Der Lebensstil der herrschenden
Klasse ist eher asketisch und diszipliniert, um jede Versuchung der persönlichen Bereicherung und Machtanhäufung zu vermeiden.
Entsprechend ist auch der Sexualverkehr streng geregelt, um den für den Staat besten Nachwuchs zu erzeugen. Dieser wird ebenfalls
von allen gemeinschaftlich erzogen. Platon propagiert also eine politisch motivierte Eugenik, eine Lehre von der Zucht der
besten Erbeigenschaften, wie sie versuchsweise auch von totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurde.
Am Beginn der Kinderaufzucht steht eine musische Erziehung, begleitet von regelmäßigen Leibesübungen. Ziel ist es, körperlich
trainierten und ideologisch verlässlichen Nachwuchs heranzubilden. Die Möglichkeiten der musischen Erziehung sind allerdings
sehr eingeschränkt. Die Kunst darf nur erbauliche Inhalte vermitteln, das heißt solche, die die kriegerische Gesinnung stärken
und die ideologische Festigkeit nicht
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