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0060 - Das Kastell der Toten

0060 - Das Kastell der Toten

Titel: 0060 - Das Kastell der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hrdinka
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Donnernd schlug die Brandung gegen die Felsklippen, die im fahlen Mondlicht bizarr gegen den Himmel starrten. Hell spritzte die meterhohe Gischt in die Höhe, zerstäubte sich zu winzigen Wassertropfen, bevor sie sich wieder mit dem Meer vereinigte.
    Die Nacht brachte die ersehnte Kühle, hatte einen glühendheißen Augusttag abgelöst.
    Weit außerhalb der Bucht tuckerte ein kleines Fischerboot über die Wellen. Jorge Spinole, der Besitzer des Bootes, war ein uralter Mann.
    Er war damit beschäftigt, die Netze auszuwerfen.
    »Das wird heute bestimmt ein guter Fang«, murmelte der Alte vor sich hin. Der Seebär zog die Kapitänsmütze, die so alt wie er selbst war, tiefer in die Stirn und kratzte über seine Bartstoppeln, die das verwitterte Gesicht bedeckten.
    Die Sturmlaterne am Bug des Kahns verbreitete milchiges Licht.
    Spinole war der einzige, der sich weit und breit hier befand. Die anderen Fischer zogen noch weiter hinaus und erhofften sich dadurch einen besseren Fang.
    Jorge Spinole war zufrieden. Er war Zeit seines Lebens bescheiden gewesen, hatte nie hohe Ansprüche an das karge Leben hier gestellt.
    Er blickte fast wehmütig zu dem Fischerdorf in der Bucht hin.
    Estaquiro! Hier lebte er schon, solange er denken konnte.
    Spinole ließ seine Blicke über das Dorf, wo noch vereinzelter Lampenschein zu ihm herüberblinkte, zu dem finsteren Berg, der sich über Estaquiro erhob, schweifen.
    Die dunklen Umrisse einer Ruine, die einst ein prächtiges Schloss gewesen sein mußte, ragten gespenstisch gegen den sternenübersäten Nachthimmel. Jorge Spinole schüttelte den weißhaarigen Kopf, während er den Motor abstellte.
    Es war beinahe still rings um ihn. Die Stille wurde nur durch das Brandungsgeräusch, das der laue Wind zu ihm herübertrug, durchbrochen.
    Eine seltsame Ruhe breitete sich über das Meer.
    Der Alte hockte sich auf den Boden und hoffte auf einen guten Fang. Immer wieder blickte er zu der Ruine hoch, die nun von den Strahlen des Mondes erleuchtet wurde.
    Ihm fielen plötzlich wieder die Ereignisse ein, die vor langer, langer Zeit geschehen waren, als er fast noch ein Kind war.
    Nie würde er sie vergessen können!
    Er hatte damals auch nicht an die alte Sage geglaubt, die mit einem Male blutige Wahrheit geworden war. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass sich die Templer, die einst Herren dieser Burg gewesen waren, erheben würden.
    Mein Gott, wie lange müssen die Ritter denn schon tot sein! Nun müssen die fünfzig Jahre seit dem letzten Spuk bald vorüber sein!, dachte er beunruhigt und ahnte gar nicht, wie bald sich seine Vermutung bestätigen würde.
    Er begann, die Netze einzuholen. Nur sehr wenige Fische zappelten in den dichten Maschen des geflickten Fangnetzes.
    »Verflucht, so wenige waren das noch nie!«, maulte Jorge vor sich hin.
    Da tönten auch schon die Glockenschläge aus Estaquiro zu ihm herüber.
    Zwölfmal!
    Geisterstunde!
    Obwohl sich der alte Fischer schon oft um diese Zeit hier draußen befunden hatte, konnte er sich heute einer gewissen Beklemmung nicht erwehren.
    »Ach, was soll’s! Die verdammten Templer sind daran Schuld. Die Teufel jagen mir doch noch heute Angst ein, obwohl es schon so lang her ist!«, knurrte er und nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche.
    Die Glockenschläge verhallten. Doch gleich darauf erklangen sie erneut.
    Viel lauter! Unheilvoller…
    Das dumpfe Geläute schien vom Turm der Ruine zu kommen. Es hörte sich beinahe wie das satte Dröhnen eines Gongs an.
    Wie ein Blitz durchfuhr es den Alten! Er hatte diese Glocken nur einmal in seinem Leben gehört, und bis heute nicht den eigenartigen Klang vergessen können.
    Die Todesglocke vom Kastell!
    Der Fischer konnte es nicht verhindern, dass eine eisige Gänsehaut seinen Rücken hoch kroch.
    Jorge sprang auf. Er stürmte zum Bug des Kutters, um den Motor anzuwerfen. Es kam dem Alten wie eine kleine Ewigkeit vor, bis der Motor endlich zu tuckern begann. Er drehte die Schiffsschraube und das Ruder in Richtung Estaquiro.
    Der Fischer hatte es mit einem Male fürchterlich eilig.
    Die Templer! Mein Gott, die Templer!, raste es in seinem Gehirn.
    Seine Gedanken überschlugen sich.
    Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
    »Nein, es darf nicht noch einmal alles von vorne beginnen!«, stöhnte er gequält vor sich hin.
    Jorges schwieligen Finger umkrallten das Ruder. Er wusste ganz genau, was nun geschehen würde! In sieben Nächten würden die Templer aus den Gräbern

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