Physiologie der Ehe (German Edition)
einen Fußboden machen zu dürfen, muß man der Liebhaber einer dieser Elitefrauen sein. Herrschen aber wollen wir alle gern.
Auf diesen glänzenden Teil der Nation richten sich denn auch alle Angriffe der Männer, die durch Erziehung, Talent oder Geist Anspruch darauf haben, bei der Verteilung der menschlichen Glücksgüter, auf die die Völker stolz sind, berücksichtigt zu werden; und nur in dieser Klasse findet sich die Frau, deren Herz ›unser‹ Ehemann bis zum letzten Blutstropfen verteidigen wird.
Ob die Betrachtungen, zu denen unsere weibliche Aristokratie Anlaß gibt, sich auch auf die andern Gesellschaftsklassen anwenden lassen oder nicht – was macht das aus? Was für diese Frauen gilt, deren Benehmen, Sprache, Denken so gewählt ist; in denen eine exklusive Erziehung den Geschmack an schönen Künsten, die Fähigkeit des Fühlens, Vergleichens, Nachdenkens entwickelt hat; die einen so erhabenen Begriff von Schicklichkeit und Höflichkeit haben und für die Sitten Frankreichs tonangebend sind – was für diese gilt, das muß sich auch auf die Frauen aller Nationen und aller Rassen anwenden lassen. Der überlegene Mensch, dem dieses Buch gewidmet ist, besitzt notwendigerweise eine gewisse Gedankenoptik, vermöge deren er die Lichtabstufungen in jeder Klasse verfolgen und erkennen kann, bis zu welchem Grade von Zivilisation jede einzelne Beobachtung noch ihre Wahrheit behält.
Ist es also nicht von hohem Interesse für die Moral, wenn wir jetzt versuchen, die Anzahl der tugendhaften Frauen festzustellen, die sich etwa unter diesen anbetungswürdigen Geschöpfen befinden? Liegt darin nicht eine marito-nationale Frage?
Die tugendhafte Frau
Die Frage dreht sich vielleicht nicht so sehr um die Feststellung, wie viele tugendhafte Frauen es gibt, als darum, ob eine anständige Frau tugendhaft bleiben kann.
Um über einen so wichtigen Punkt helleres Licht verbreiten zu können, wollen wir schnell einen Blick auf die männliche Bevölkerung werfen.
Von unsern fünfzehn Millionen Männern rechnen wir zunächst die neun Millionen Zweihänder mit zweiunddreißig Wirbeln ab und ziehen für unsere physiologische Untersuchung nur sechs Millionen in Betracht. Männer wie Marceau, Massena, Rousseau, Diderot, Rollin entsprießen oftmals plötzlich dieser gärenden gesellschaftlichen Trebermasse, hier wollen wir aber mit Absicht etwas ungenau sein. Diese Rechenfehler werden zum Schluß mit ihrem ganzen Gewicht in Betracht kommen und werden nur die furchtbaren Ergebnisse bekräftigen, die ein Einblick in das Getriebe der für unser öffentliches Leben bedeutungsvollen Leidenschaften uns enthüllen wird.
Von den sechs Millionen bevorrechtigter Männer wollen wir drei Millionen Greise und Kinder abziehen.
Dieser Abzug – wird man sagen – belief sich bei den Frauen auf vier Millionen.
Dieser Unterschied könnte allerdings auf den ersten Blick auffallend erscheinen, läßt sich aber leicht rechtfertigen.
Das Durchschnittsalter, in dem die Frauen sich verheiraten, ist zwanzig Jahre, und vom vierzigsten Jahre an gehören sie nicht mehr der Liebe zu eigen.
Nun macht aber schon ein junger Bursch von siebzehn Jahren ganz tüchtige Risse in die Pergamente der Eheverträge, und ganz besonders in die ältesten, so sagen wenigstens die Skandalchroniken.
Ferner ist ein Mann von zweiundfünfzig in diesem Alter gefährlicher als in jedem andern. In diesem schönen Lebensalter verfügt er nicht nur über eine teuer bezahlte Erfahrung, sondern auch über das Vermögen, das er sich erworben haben wird. Da die Leidenschaften, deren Stachel ihn treibt, die letzten sind, so ist er unerbittlich und stark wie jemand, der von der Strömung eines Flusses fortgerissen wird und nach einem grünen schwankenden Weidenzweig greift, der im letzten Frühjahr erst gesprossen ist.
XIV. In physischer Beziehung ist ein Mann länger Mann, als eine Frau Frau ist.
Soweit die Ehe in Betracht kommt, beläuft sich also der Unterschied in der Zeitdauer des Liebeslebens des Mannes und der Frau auf fünfzehn Jahre. Dieses beträgt drei Viertel der Zeit, während welcher ein Mann unter der Untreue seiner Frau leiden kann. Bei dem Abzug jedoch, den wir von der Gesamtzahl der Männer gemacht haben, beträgt der Unterschied nur höchstens ein Sechstel im Vergleich mit dem Ergebnis des Abzugs, den wir bei der Gesamtzahl der Frauen vorgenommen haben.
Groß ist die Bescheidenheit unserer Berechnungen! Unsere Gründe hinwiederum sind von einer so
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