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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und entmutigt an den Tod dachtest, wo dein Kopf auf einem widerlich heißen Kissen lag und dein Leib auf einem Bettuch, dessen weißes Linnengewebe sich schmerzhaft in deine Haut eindrückte, wo du deine weit aufgerissenen Augen über die grüne Tapete deines stillen Zimmers schweifen ließest? Erinnerst du dich, sage ich, wie du sie sahst, als sie geräuschlos deine Tür öffnete, ihren jungen blonden Kopf im Rahmen goldener Locken und eines neuen Hutes zeigte, wie sie erschien gleich einem Stern in einer Gewitternacht, wie sie lächelnd, halb bekümmert, halb glücklich, ins Zimmer eilte und auf dich zustürzte!
    »Wie hast du es angefangen? Was hast du deinem Mann gesagt!« fragtest du.
    Ein Ehemann! ... Ah! Da sind wir wieder mitten in unserm Thema.
    XV. In moralischer Beziehung ist der Mann öfter und länger Mann, als die Frau Frau ist.
    Indessen müssen wir in Betracht ziehen, daß es unter diesen zwei Millionen Junggesellen viele unglückliche gibt, bei denen ein tiefes Bewußtsein ihres Elends und die Notwendigkeit, hart zu arbeiten, die Flamme der Liebe ersticken.
    Daß sie nicht alle das Gymnasium besucht haben, daß es viele Handwerker gibt, viele Lakaien – der sehr häßliche und kleine Herzog von Gèvres bemerkte bei einem Spaziergang im Versailler Park einige sehr schön gewachsene Lakaien und sagte zu seinen Freunden: »Guckt nur mal, wie wir diese Kerle machen und wie sie uns machen!« – viele Bauunternehmer, viele Industrielle, die nur an Geld denken, viele Ladenschwengel.
    Daß es Männer gibt, die dümmer und wirklich auch häßlicher sind, als Gott sie gemacht haben würde.
    Daß es Männer gibt mit einem Charakter wie eine ausgehöhlte Kastanienschale.
    Daß die Geistlichkeit im allgemeinen keusch ist.
    Daß es Männer gibt, die ihrer Stellung wegen niemals in den glänzenden Kreis eintreten können, in dem sich die anständigen Frauen bewegen – die keinen Frack haben, oder schüchtern sind, oder denen der Kornak fehlt, um sie einzuführen.
    Aber wir wollen einem jeden die Mühe überlassen, die Zahl dieser Ausnahmen nach seiner eigenen Erfahrung zu vermehren – denn der Zweck eines Buches ist vor allem, zum Denken anzuregen – und wollen mit einem Federzuge die Hälfte der Gesamtzahl streichen. Rechnen wir also nur eine Million Herzen, die würdig sind, den anständigen Frauen zu huldigen: dies ist so ziemlich die genaue Zahl unserer hervorragenden Persönlichkeiten auf allen Gebieten. Die Frauen lieben nicht nur geistreiche Männer; aber, noch einmal sei's gesagt, wir wollen der Tugend das Spiel nicht zu schwer machen.
    Wenn wir nun einmal unsere liebenswürdigen Junggesellen anhören, da erzählt ein jeder von ihnen eine Menge Abenteuer, die ohne Ausnahme darauf hinauslaufen, daß durch sie die anständigen Frauen in bedenklicher Weise bloßgestellt werden. Wir sind recht bescheiden und zurückhaltend, wenn wir auf jeden Junggesellen nur drei solcher Abenteuer rechnen; aber wenn einige ihre Liebschaften dutzendweise berechnen, so gibt es soundso viele andere, die sich ihr ganzes Leben lang mit zwei oder drei Leidenschaften oder gar nur mit einer einzigen begnügt haben. Wir haben daher das in der Statistik übliche Verfahren uns zu eigen gemacht und verteilen die Gesamtzahl auf die einzelnen Köpfe. Wenn man nun die Zahl der Junggesellen mit der Zahl der Liebschaften multipliziert, so kommen drei Millionen solcher Abenteuer heraus; und um dieser Nachfrage zu genügen, haben wir nur vierhunderttausend anständige Frauen!
    Wenn der gütige und nachsichtige Gott, der über den Welten schwebt, nicht eine zweite Generalwäsche des Menschengeschlechts veranstaltet, so ist ohne Zweifel der Grund der, daß die erste so geringen Erfolg gehabt hat.
    Da haben wir also ein Volk untersucht! Da haben wir eine Gesellschaft durch das Sieb gestrichen! Und da haben wir gesehen, was dabei herauskam!
    XVI. Die Sitten sind die Heuchelei der Völker; die Heuchelei ist mehr oder weniger vollkommen.
    XVII. Tugend ist vielleicht nur Höflichkeit der Seele.
    Die physische Liebe ist ein Bedürfnis, das dem Hunger gleicht – mit dem Unterschiede jedoch, daß der Mensch immer ißt, daß aber in der Liebe sein Appetit nicht so ausdauernd und nicht so regelmäßig ist wie bei Tische.
    Ein Stück Schwarzbrot und ein Krug Wasser stillen den Hunger eines jeden Menschen; aber unsere Zivilisation hat die Gastronomie geschaffen.
    Die Liebe hat ihr Stück Brot, aber sie hat auch jene Kunst des Liebens, die wir Koketterie

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