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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die Ohren und erweckte in seiner Phantasie die grausigsten Gestalten des Gefolges, das früher hinter diesen Wundersilben hergezogen war.
    Seit diesem Abend begannen von neuem die gaukelnden Verfolgungen eines noch nicht existierenden Werkes; in keiner Epoche seines Lebens wurde der Verfasser von so viel trügerischen Gedanken über den unglückseligen Gegenstand dieses Buches bestürmt. Aber er leistete dem Geiste mutigen Widerstand, obwohl dieser die unbedeutendsten Lebensereignisse mit jenem noch unbekannten Werk in Verbindung brachte und wie ein Zollschreiber an alles die Plombe mit seinem spöttisch in die Augen springenden Zeichen anhängte.
    Einige Tage darauf befand sich der Verfasser in Gesellschaft zweier Damen. Die erste war eine der liebenswürdigsten und geistreichsten Frauen des Napoleonischen Hofes gewesen. In ihrer hohen gesellschaftlichen Stellung wurde sie von der Restauration überrascht und gestürzt; sie war Einsiedlerin geworden. Die zweite, jung und schön, spielte in diesem Augenblick in Paris die Rolle einer Modekönigin. Sie waren Freundinnen, da die eine vierzig und die andere zweiundzwanzig Jahre alt war und daher die Ansprüche ihrer Eitelkeit sich selten auf demselben Gebiet begegneten. Die eine der beiden Damen brauchte sich vor dem Verfasser nicht zu genieren, und da die andere dies erraten hatte, so setzten sie in seiner Gegenwart ein ziemlich freies Gespräch über ihren Frauenberuf fort.
    »Haben Sie bemerkt, meine Liebe, daß die Frauen im allgemeinen nur Dummköpfe lieben?«
    »Was sagen Sie da, Herzogin? Wie wollen Sie diese Bemerkung mit ihrer Abneigung gegen ihre Ehemänner in Einklang bringen?«
    ›Aber das ist ja eine Tyrannei!‹ dachte der Verfasser bei sich selber.
    »Nein, meine Liebe, ich spaße nicht!« sagte die Herzogin; »und seitdem ich mit kaltem Urteil die Leute, die ich früher gekannt hatte, mir näher betrachtet habe, meine ich, daß wir Frauen Anlaß haben, um uns selber zu zittern. Geist hat immer etwas Glänzendes an sich, was uns verletzt; der Mann, der viel Geist hat, erschreckt uns vielleicht, und wenn er stolz ist, wird er nicht eifersüchtig sein, kann uns also nicht gefallen. Endlich erheben wir vielleicht lieber einen Mann zu uns empor, als daß wir zu ihm hinaufsteigen ... Das Talent läßt uns allerdings an Erfolgen teilnehmen, aber der Dummkopf verschafft uns Genüsse; und wir ziehen es stets vor, sagen zu hören: ›Ah! das ist aber ein schöner Mann!‹ – als unsern Liebhaber zum Mitglied des Instituts erwählt zu sehen.«
    »Jetzt ist's aber genug, Herzogin! Sie haben mich wirklich erschreckt!«
    Und die junge Kokette begann die Porträts aller Liebhaber zu entwerfen, in die die Frauen ihrer Bekanntschaft vernarrt waren; sie fand unter ihnen nicht einen einzigen Mann von Geist und rief:
    »Wahrhaftig, bei meiner Tugend – ihre Männer sind mehr wert ...«
    »Diese Leute sind ihre Männer,« antwortete ernst die Herzogin.
    »Aber«, fragte der Verfasser, »ist denn das Unglück, das in Frankreich den Ehemann bedroht, wirklich unvermeidlich?«
    »Ja!« antwortete die Herzogin lachend. »Und die Erbitterung gewisser Frauen gegen diejenigen, die das glückliche Unglück haben, eine Leidenschaft zu empfinden, beweist, wie lästig ihnen die Keuschheit ist. Ohne die Angst vor dem Teufel wäre die eine eine Lais; die andere verdankt ihre Tugend der Trockenheit ihres Herzens; diese der Dummheit, womit sich ihr erster Liebhaber betrug; jene ...«
    Der Verfasser hemmte den Strom dieser Enthüllungen, indem er den beiden Damen von dem ihn verfolgenden Plan eines Werkes über die Ehe Mitteilung machte: sie nahmen sie mit beifälligem Lächeln auf und versprachen viele Ratschläge beizusteuern. Die jüngere lieferte in heiterer Laune eines der ersten Kapitel der Unternehmung, indem sie sagte, sie erbiete sich, mathematisch nachzuweisen, daß selbst die völlig tugendhaften Frauen vernunftbegabte Wesen seien.
    In seine Häuslichkeit zurückgekehrt, sagte jetzt der Verfasser zu seinem Dämon:
    »Komm! ich bin bereit. Wir wollen den Pakt unterzeichnen!«
    Der Teufel kam nicht mehr.
    Wenn der Verfasser hier die Entstehungsgeschichte seines Buches schreibt, so geschieht das keineswegs aus Eitelkeit. Er erzählt Tatsachen, die zur Geschichte des menschlichen Gedankens beitragen können und ohne Zweifel das Werk selbst erklären werden. Vielleicht ist es gewissen Gedankenanatomen nicht gleichgültig, zu erfahren, daß die Seele weiblich ist: solange der

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