Pilger Des Hasses
gekommen, und die Nachricht macht die Runde, so schnell ein Pferd galoppieren kann.« Cadfael und sein Gast waren aufgesprungen und warteten gespannt auf die guten oder schlechten Neuigkeiten, doch Hughs Gesicht war nichts anzumerken. Es war ein Gesicht, das keine Geheimnisse verriet und das nun aus höflicher Rücksicht fest unter Kontrolle war. »Ich fürchte«, fuhr Hugh fort, »die Neuigkeiten werden Euch bei weitem nicht so gut gefallen wie mir.«
»Aus dem Süden...« begann Olivier gefaßt und leise. »Aus London? Von der Kaiserin?«
»Ja, aus London. An einem einzigen Tag hat sich das Blatt völlig gewendet. Es wird keine Krönung geben. Als man gestern beim Mittagessen in Westminster saß, läuteten die Londoner plötzlich die Sturmglocken - alle Glocken in der Stadt wurden geschlagen. Die ganze Stadt lief bewaffnet zusammen und marschierte gegen Westminster. Sie sind geflohen, Olivier, die Kaiserin und ihr ganzer Hofstaat, in den Kleidern, die sie gerade trugen, und fast alles andere ließen sie zurück. Die Städter haben den Palast geplündert und die Nachzügler fortgetrieben. Sie hat sich nicht bemüht, sie für sich zu gewinnen; nur Drohungen und Vorwürfe und Geldforderungen, seit sie die Stadt betrat. Sie hat sich die Krone entgehen lassen, weil sie es versäumt hat, die Höflichkeit einer Königin zu zeigen und einige versöhnliche Worte zu sprechen. Was Euch angeht«, ergänzte Hugh mit echtem Mitgefühl, »so tut es mir leid! Aber für mich ist es eine große Erleichterung.«
»Ich kann es Euch nicht verdenken«, sagte Olivier einfach.
»Warum solltet Ihr Euch nicht freuen? Aber sie... ist sie in Sicherheit? Hat man sie nicht gefangen genommen?«
»Nein; dem Boten zufolge ist sie wohlbehalten davongekommen, zusammen mit Robert von Gloucester und einigen anderen Getreuen. Die anderen aber haben sich, wie es scheint, verstreut und sind zu ihren Besitztümern zurückgekehrt, wo sie sich sicherer fühlen. So lautet die Botschaft, die ich erhielt, und sie ist kaum einen Tag alt. Die Stadt London wurde von Süden her schwer bedroht«, fuhr Hugh fort und minderte damit etwas das Gewicht des Versagens, das auf den Schultern der Kaiserin lastete, »denn König Stephens Königin hatte die Grenzen besetzt. Die einzige Möglichkeit, sich zu befreien, bestand darin, die Kaiserin zu vertreiben und die Königin einzulassen, und die Herzen waren fraglos auf ihrer Seite: die Königin ist ihnen von den beiden die liebere.«
»Ich wußte es«, sagte Olivier. »Sie war nicht klug - die Kaiserin Maud. Ich wußte, daß sie keinen Groll vergessen kann, und wenn es noch so wichtig gewesen wäre, Nachsicht zu zeigen.
Ich habe oft gesehen, wie sie einem Mann, der unterwürfig zu ihr kam und seine Unterstützung anbot, die letzte Würde nahm... sie versteht sich besser darauf, sich Feinde zu machen, als Freunde zu gewinnen. Um so mehr braucht sie die wenigen, die sie hat«, schloß er. »Wohin ist sie gegangen? Wußte es Euer Bote?«
»Nach Westen, nach Oxford. Sie wird die Stadt sicher erreichen. Die Londoner werden ihr nicht weit folgen, denn sie wollten sie nur aus der Stadt vertreiben.«
»Und der Bischof? Ist er mit ihr gegangen?« Das ganze Unternehmen hatte auf den Schultern des Bischofs geruht, und er hatte sich nach Kräften für sie eingesetzt; nicht mit allen Kräften, aber es hatte ihn einiges gekostet, und sie hatte alles zunichte gemacht. Stephen war in Bristol gefangen, aber noch war er das gekrönte Haupt Englands. Kein Wunder, daß Hughs Augen leuchteten.
»Vom Bischof habe ich nichts gehört. Aber er wird ihr gewiß nach Oxford folgen. Wenn nicht...«
»Wenn er nicht abermals die Seite wechselt«, beendete Olivier den Satz für ihn. Er lachte. »Anscheinend muß ich Euch eiliger verlassen, als ich vermutet hatte«, sagte er bedauernd. »Der eine hat Glück, der andere Pech. Mit dem Schicksal kann man nicht hadern.«
»Was werdet Ihr tun?« fragte Hugh, der ihn beobachtete. »Ich glaube, Ihr wißt, daß Euch gehört, was Ihr von uns erbittet. Die Entscheidung liegt bei Euch. Eure Pferde sind ausgeruht; Eure Männer haben die Nachricht wohl noch nicht bekommen, aber sie erwarten Eure Befehle. Wenn Ihr Vorräte für die Reise braucht, dann nehmt Euch, was Ihr für nötig haltet. Wenn Ihr aber bleiben wollt...«
Olivier schüttelte den blauschwarzen Kopf, und die geschwungenen Haarsträhnen pendelten um seine Wangen.
»Ich muß gehen. Nicht nach Norden, wohin ich geschickt worden bin. Was soll
Weitere Kostenlose Bücher