Pilgern auf Französisch
ja...«
Ramzi ist außer sich vor Freude.
»Mensch, Said! Die Mädels wandern auch nach Santiago-Mekka, is das cool! Weißt du, Camille, Said is in dich verknallt, weil du so geil bist...«
Camille: »Was bin ich?«
Said: »Jetzt hör endlich auf, Unsinn zu reden, Ramzi!«
Ramzi: »Kommt Elsa auch mit? Cool! Elsa is auch geil...«
Camille: »Moment mal — was hat das alles zu bedeuten?«
Said weicht einer Antwort aus und macht sich auf den Weg. Er geht zu Guy, der den Pilgern die Adresse des Hotels in Le Puy gibt, wo sie diese Nacht schlafen werden — das erste und letzte Hotel, das sie in den zweieinhalb Monaten ihrer Wallfahrt aufsuchen werden. Er verabredet sich mit ihnen für den nächsten Morgen um sieben Uhr an der Kathedrale, wo für die Pilger die Messe gelesen wird.
Pierre und Clara protestieren: Kommt gar nicht infrage, dass sie zur Messe gehen, solche Faxen machen sie keinesfalls mit, Tod den Pfaffen und so weiter und so fort.
Guy wartet, bis das Gewitter vorbei ist, und erklärt ihnen, dass sie diese Messe besuchen müssen, um den Pilgerausweis zu bekommen, der vom Bistum ausgestellt wird und in dem sie jede Etappe abstempeln lassen müssen; dies ist der Nachweis, dass sie auch wirklich den ganzen Weg gelaufen sind. Außerdem dient er ihnen als Passierschein, um in den Herbergen, vor allem in Spanien, Schlafplätze zu bekommen.
NACH EINER UNRUHIGEN NACHT in einem billigen Hotel und dem mühsamen Aufstieg über die zweihundertsiebenundneunzig Stufen zur Kathedrale sind unsere Pilgernovizen um sieben Uhr morgens vor der Schwarzen Madonna wieder vereint.
Begeistert weist Guy sie darauf hin: »Das ist also die Madonna der Kathedrale von Puy mit dem Haupt Christi, das aus ihrem Leib kommt... Es ist eine schwarze Madonna.«
Pierre ist immer noch empört über das frugale Frühstück in dem »Scheißhotel«, wo er mehr wach gelegen als geschlafen hat, empört über diese viel zu frühe Messe und den Treppenaufstieg, bei dem ihm fast die Lungen geplatzt wären.
»Schon gut«, knurrt er zwischen den Zähnen. »Wir haben gesehen, dass sie schwarz ist, daraus muss man ja keine große Geschichte machen... Oder fängt sie jetzt auch noch an, für uns die Buschtrommeln zu schlagen?«
Clara: »Was kratzt dich das? Du bist doch nicht katholisch.«
Pierre: »Nein, ich bin nicht katholisch. Und stört das jemanden?«
Clara: »Nein, du bist nicht katholisch — deine Religion ist der Rassismus.«
Ramzi, der immer gleich voller Begeisterung ist, wenn jemand von Religion spricht, mischt sich ein: »Ich bin Muslim, das is meine Religion, vor allem die von meine Mutter.«
Pierre, säuerlich: »Dann gehen Sie doch in die Moschee, wenn Sie Muslim sind.«
Ramzi: »Da gehn wir ja hin, Said und ich, wir gehn nach Santiago-Mekka.«
Pierre zuckt mit den Schultern, er fragt sich ein wenig besorgt, ob dieser Ramzi eigentlich alle Tassen im Schrank hat.
Der Priester wendet sich an die Pilger, die sich vor der Statue des heiligen Jakobus versammelt haben. Nonnen umringen ihn mit engelhaftem Lächeln, mit dem sie die völlige Unterwerfung unter den Orden ausdrücken. Sie tragen weißgraue Kutten, ihr Haar ist mit einem christlich-islamischen Schleier bedeckt, der hier die gleiche Funktion hat wie anderswo: die Unterlegenheit der Frau für alle sichtbar zu machen.
Pierre und Claude hören dem Priester nur mit halbem Ohr zu, es ist ihnen egal, was er von sich gibt.
Guy wartet, bis es vorbei ist, er sitzt ein Stück entfernt, der Schwarzen Madonna gegenüber, und betrachtet sie liebevoll.
In unseren Kirchen gibt es zahlreiche Schwarze Madonnen, aus deren Leib der glorreiche Sohn sein Haupt streckt; grob behauene Holzstatuen, die möglicherweise aus Afrika, Ägypten oder Jerusalem stammen und Überbleibsel eines alten heidnischen Kults sind, in dem der Jungfrau als Fruchtbarkeitsgöttin gehuldigt wurde. Sie werden vom Volk verehrt und sind das Ziel inbrünstiger Wallfahrten. 1
Der Priester: »Ich werde den Jakobspilgern nun den Segen erteilen... Doch zuerst wollen wir uns miteinander bekanntmachen. Wenn sich jetzt vielleicht ein jeder kurz vorstellen würde — woher er kommt und wohin er geht...«
Pierre verdreht die Augen — sich diesem Trottel auch noch vorstellen!
Said, Ramzi und Mathilde lauschen aufmerksam der Predigt. Einige gehorsame Pilger stellen sich vor, sie beten die Städte herunter, aus denen sie kommen und wo sie ihre Wallfahrt beenden werden. Kleine, ganz gewöhnliche Leute machen sich unbefangen
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