Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
blockierte er damit auch den Gegenverkehr.
Konnte dies der Grund des Staus sein? Nach endlosen Minuten ging es wieder vorwärts.
Ich schaute angestrengt rechts aus dem Fenster, um ja keinen Blickkontakt zu meinem
Chef aufzubauen. Doch er hatte mich bereits entdeckt. Immer noch stand er wie ein
Fels in der Brandung auf der Gegenspur, während er mir zu verstehen gab, die Seitenscheibe
herunterzulassen.
»Hallo,
guten Tag, Herr Palzki.« Er schaute an mir vorbei. »Frau Palzki, auch Ihnen einen
schönen Tag. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
Sie nickte.
Ich schaute in den Rückspiegel. Der Fahrer hinter uns hatte vor Wut einen knallroten
Kopf. Ich konnte mich täuschen, aber es sah aus wie Schaum, was ihm aus den Mundwinkeln
lief. Der Gegenverkehr schien sich durch ganz Speyer zu stauen. KPD war davon unbeeindruckt.
Er blieb unerbittlich stehen, während er weitersprach.
»Als guter
Chef muss man auch einmal am Wochenende arbeiten können, vor Ostern ist ja immer
so viel los. Man kann schließlich nicht immer die ganze Arbeit auf die Schutzpolizei
abwälzen. Vor einer guten halben Stunde habe ich die beiden, die normalerweise hier
stehen, in die Pause geschickt. Als guter Chef kann man auch mal den Verkehr regeln,
das habe ich jahrzehntelang nicht mehr gemacht. Das ist glücklicherweise nur wenig
anstrengend. Gerade ein paar Autos vor Ihnen, Herr Palzki, habe ich eine ehemalige
Klassenkameradin entdeckt. Sie schien zwar etwas in Eile gewesen zu sein, gefreut
hat sie sich trotzdem.«
Der Schaumkopf
hinter mir drückte auf die Hupe. KPD schaute ihn böse an.
»Ja, ja,
keine Hektik. Es gibt noch genügend Parkplätze«, rief er ihm zu. Leise, sodass nur
ich es hören konnte, ergänzte er: »Der darf mir jetzt erst mal Verbandskasten und
Warndreieck zeigen. Sozusagen als erzieherische Maßnahme.«
Ich nutzte
seinen Plan zur Fluchtvorbereitung. »Prima Idee, Herr Diefenbach. Ich mache Ihnen
Platz, darf ich gleich auf den Festplatz fahren?«
»Nein«,
winkte er ab. »Da muss Ihre Frau zu weit laufen. Fahren Sie ganz nach vorne, da
haben wir ein paar Behindertenparkplätze abgesteckt.«
Meine Frau
hatte das gehört und warf ihm einen wütenden Blick nach. Aber KPD stapfte bereits
auf den Wagen hinter uns zu. Ich gab Gas und fuhr weiter. Für mich hatte es sich
trotz allem gelohnt, meinem Chef zuzuhören. Immerhin gab er mir offiziell die Erlaubnis,
auf einem der Behindertenparkplätze zu parken. Das hatte ich zwar sowieso vor, doch
eine vernünftige Argumentation gegenüber meiner Frau hatte ich nicht parat. Zur
Sicherheit legte ich zusätzlich die Dienstwagenparkerlaubnis aufs Armaturenbrett.
Den Hinweis meiner Frau, dass ich heute nicht im Dienst sei, beantwortete ich mit
einem Schulterzucken. Alles andere hätte nur endlose Diskussionen heraufbeschworen.
Ich tat es ja schließlich nur für Stefanie.
Wir waren
noch nicht richtig aus dem Wagen ausgestiegen, da war Paul bereits verschwunden.
Ich deutete es als einen Hinweis auf seine wachsende Selbstständigkeit. Sicherlich
wollte er die Umgebung des Doms alleine erkunden. Wenige Minuten später musste ich
erkennen, dass die Erwartungen in meinen Sohn zurzeit noch ein klein wenig zu hoch
gesteckt waren. Freudig hüpfend kam er auf uns zu. In der Hand hielt er ein Bündel
Schnüre, an deren oberen Enden schätzungsweise ein Dutzend gasbefüllte Luftballons
schwebten.
»Hab ich
organisiert«, meinte er frech grinsend.
Ich überlegte,
ob es besser war, gleich wieder heimzufahren. Irgendein Eklat war sonst bereits
vorprogrammiert. Tapfer, wie ich war, fragte ich Paul nicht, wo er die Ballons organisiert
hatte. Manchmal braucht das Leben auch eine Überraschung.
Wir folgten
dem Besuchergedrängel in Richtung Innenstadt. Paul war wieder verschwunden. Direkt
vor dem Dom befand sich der Domnapf, der zu bestimmten Ereignissen mit Wein gefüllt
wurde. Dort fiel mir ein Wohnmobil ins Auge, das direkt neben dem Domnapf parkte.
Auch wenn die Aufschrift auf der Seite neu war, dieses Gefährt hatte ich sofort
erkannt. ›Pilgermobil‹ stand, wie immer in blutroten Buchstaben, auf dem Wohnmobil.
Dr. Metzger, der Eigentümer des Gefährts, hatte vor Jahren seine Kassenzulassung
zurückgegeben und fuhr seitdem, je nach Lust und Laune Notarzteinsätze. Niemand
wusste so recht wie er dies genehmigt bekommen hatte. Mit legalen Mitteln dürfte
dies in unserem Rechtsstaat wohl nicht gegangen sein. Seit ich wusste, dass er in
der Kurpfalz unterwegs war, um Unfallopfer angeblich zu retten,
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